"Österliche Zeit"
Vorbereitende Sonntage | Vorfastenzeit -14.3.21|
Fastenzeit 15.3. - 23.4.21
|
AUFERSTEHUNGSFEST (1.) 2.5.21
Aktuelle Zeit | November - Weihnachtliche Zeit - Januar | Februar - Oesterliche Zeit - Juni | Juli - Oktober |
VOR -
FASTENZEIT
"Der UMKEHR Türen öffne mir ..."
~~~ Komponist: Artemij WEDEL /// Interpretation: F.TSCHALJAPIN mit Chor
der Russischen Orthodoxen Kathedrale Paris 1932 ~~~
zur Link-Quelle: "http://www.musicarussica.com"
~~~vollständig:Chor der
Christi-Verklärungskathedrale, Moskau /Regent Vladimir LVOV~~~
zur Link-Quelle: "http://en.liturgy.ru/zvuk/zvuk.php"
SONNTAGE der Vorfastenzeit:
1. Sonntag vom
ZÖLLNER
und PHARISÄER 21.2.21
2. Sonntag vom VERLORENEN
SOHN 28.2.21
3. Sonntag FLEISCHENTHALTUNG
!
vom GERICHT 7.3.21
4. Sonntag BUTTERENTSAGUNG
!
vom VERLUST des PARADIESES VERGEBUNGSSONNTAG
14.3.21
- abends:
BEGINN der GROSSEN 40-taegigen FASTEN
Vor - Fastenzeit
Warum wird die vorösterliche "Grosse Fasten" durch die
vierwöchige Vorbereitungszeit eingeleitet ?
Weil die Kirche mit ihrer 2000-jährigen Erfahrung ein tiefes
psychologisches Mitgefühl mit der menschlichen Natur
entwickelt hat. Sie kennt unseren Hang uns von den
Oberflächlichkeiten unserer Umwelt einnehmen zu lassen und
unsere mangelnde Konzentrationsfähigkeit auf die geistlichen
Güter. Ein rascher Wandel unserer Alltäglichkeit, ein
unvermitteltes Hinüberwechseln in eine noch nie auch nur
erspürte Praxis birgt die Gefahr uns zu überfordern.
Wir dürfen nicht Wunder fordern, sondern wir bereiten uns auf
immer wieder neue Anstrengungen vor. Wir müssen uns darauf
vorbereiten, nach jedem Fall niemals die Anstrengungen des Aufstehens
zu scheuen, wieder an die Türen der Umkehr zu klopfen und uns
wieder auf den Weg zu machen.
Lasst uns die jährlich Gelegenheit nutzen, uns auf das Ziel
und die Bedingungen wahrhaft christlichen Fastens zu besinnen und uns
allmählich für das kommende Fasten bereit zu machen.
Charakteristisch für unsere heilsame orthodoxe Tradition des
Christentums ist dabei die pastorale Heranführung an die
einzelnen Phasen des Heilswerkes unseres Gottes für uns
Menschen. Vor dem Apell zum praktischen Vollzug der Fasten wird uns
deren Bedeutung in mehreren Bildern anschaulich gemacht. So hat jede
Zeit des Kirchenjahres - ohne unvermittelte Einschnitte und
Brüche - in ihrer Weise Anteil am Ganzen, am alle Zeiten
einschliessenden Heilsmysterium Christi. Zugleich wird dadurch aber
auch deutlich, dass die Gläubigen sich nicht nur an einzelnen
Festzeiten einseitig und nach Belieben bedienen sollen, wie an einem
Selbstbedienungs-Buffet, sondern in allen Zeiten des Kirchenjahres in
demütiger Offenheit und aktiver Teilnahme am Gebet der Kirche
eine weitere Stärkung in ihrem Lebensweg als Christen
mitbekommen.
Die Haltung demütiger Offenheit aber muss immer wieder neu
mutig errungen werden.
Dieser Mut und die Bereitschaft das Ringen auch durch Entbehrungen
durchzuhalten ist besonders für die Zeit der Grossen
40-tägigen Fasten notwendig. Das aktive, bewusste Fasten ist
ein deutliches Bekenntnis zur Möglichkeit der
Überwindung der "animalischen Naturgesetze" und ein Zeichen
der Bereitschaft zu wahrer Menschlichkeit im Ebenbilde Gottes.
Wenn wir dies Bedenken, dann wird uns das Fasten nicht als unliebsame
Einengung erscheinen. Wir werden erkennen das Fasten nichts mit
Trübsinn zu tun hat, sondern mit Freude die Gelegenheit zur
Erneuerung des Lebens ergreifen.
Deshalb wollen wir das Fasten nicht nur als äusserliche
Übung der "Gesetzestreue" sehen, sondern als Gelegenheit uns
dem Heil der Vergöttlichung zu nähern:
Beginnend mit der Bitte, dass sich auch uns die
"TÜREN der UMKEHR" öffnen mögen !
Die Sonntage der 4 Wochen der Vorbereitung der Vor-Fastenzeit
führen uns durch ihre Evangelien an diese "Türen der
Umkehr" heran.
Diese Zeit soll genutzt werden, um uns zu Besinnen, uns zu
überlegen und wenn möglich mit dem Beichtvater
abzusprechen in welcher Weise wir am Fasten der Kirche in unseren
konkreten Lebensumständen teilhaben können.
Realistischerweise wird uns nämlich ausser in
Klöstern die genaue Einhaltung aller Fastenregeln der Kanones
(kat´akrib ei an) nicht so ohneweiteres möglich
sein. Gleichzeitig wird ein am Sinn und nicht nur am Buchstaben
orientiertes Fasten auch weitgehenden Verzicht auf die Genussmittel,
Süssigkeiten, Fernsehen und andere "Suchtmittel" unserer Zeit
bedeuten. Dies vor allem, um frei zu werden, die
"Lebensqualität" eines inneren geistlichen Lebens für
uns neu zu entdecken und zu intensivieren.
Die Vorfastenzeit bietet Gelegenheit zur konkreten Planung dieser
Umkehr. Aus praktischer Erfahrung ist es auch empfehlenswert die
Umsetzung der Pläne "austesten", um für die 40 Tage
nur Vorsätze zu fassen, die wir dann auch weitgehend umsetzen
können.
Wichtig ist es aber auch, sich auch gleich darauf vorzubereiten, dass
wir nach jedem Fall auch wieder bereit sind aufzustehen - und das
"Rennen" fortzusetzen. Nicht umsonst werden wir auch an die 40 Jahre
erinnert, in denen das Volk des Herrn auf dem Weg durch die
Wüste die neu gewonnene Freiheit erprobte:
Befreit aus der auch beQuem gewordenen Gefangenschaft "an den
Fleischtöpfen Ägyptens", gerettet von
äusseren Feinden nach der DurchQuerung des Roten Meeres und
immer wieder im Glauben gestärkt auf dem Weg in das Land der
Verheissung wie wir in unseren Anstrengungen auf dem Weg zur
Vergöttlichung. Aber trotz der neu empfangenen Richtschnur der
10 Gebote, von Gott genährt durch das Manna vom Himmel und
mehrmals gerettet durch die Wunder des Wassers des Lebens:
Nahe an Gott aber auch in dieser Situation immer wieder
zurückgefallen in gefährliche Sünden
- aber auch immer wieder durch Gottes Gnade und menschliche Anstrengung
wieder versöhnt mit dem Schöpfer des Lebens.
ER will uns nie vernichtend strafen, sondern wie es uns Christus
während Seiner 40 Tage in der Wüste gezeigt hat,
immer wieder für uns und unsere Erlösung mit dem
Satan, dem Versucher, ringen. Wir können darüber umso
mehr Freude empfinden, je öfter wir nach unseren
Sündenfällen wieder aufstehen und den Kampf wieder
aufnehmen.
"Nur vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und nur
ihm allein dienen" (Lk 4,8) erinnert uns der Apostel an dieses Privileg
der "Synergie", der Einladung Gottes an uns, unsere begrenzten
Kräfte mit Seiner Allmacht zu verbinden.
Bereiten wir uns auf die freudebringenden Anstrengungen dieses Kampfes
vor, um dann nach der "Vollendung der 40 Tage" auch mit wenigstens
teilweise verdienter Freude die Früchte der Auferstehung
ernten zu dürfen !
Apostel:
2 Tim 3:
10-15
Evangelium: Lk 18: 10-14
Die Apostellesung erinnert uns, an heilsamen Traditionen festzuhalten.
Das Evangelium macht aber sofort deutlich, dass damit nicht ein
gesetzlicher Konservatismus gerechtfertigt werden soll:
Der Pharisäer, der getreu alle überkommenen
Vorschriften einhält, und sich dessen vor Gott rühmt,
wird beschämt durch den ausserhalb des Gesetzes stehenden
Zöllner, der in Demut seine Unwürdigkeit bekennt.
Am ersten Vorfastensonntag werden wir auf die erste Voraussetzung
dafür hingewiesen, dass die kommende Fastenzeit für
uns heilsam wird:
DEMUT
Vor uns liegt ein Ausstieg, ein Aufstieg ins Heiligtum, in das Innerste
des heilbringenden Mysteriums Christi, hin zur kostbaren Herzmitte auch
unserer Existenz, deren eigentlichen Sinn dieses Mysteriums birgt.
Wir nahen uns dem Ostermysterium entweder als "Zöllner" oder
als "Pharisäer":
- als solche, die kommen zur wahren Verwirklichung dessen, wozu wir
berufen sind
- oder als solche, die in den "Naturgesetzen" ihrer Umgebung verfangen,
das eigentliche Ziel ihres Lebens verfehlen.
Der offenbarende Gott zeigt uns welche Grundhaltungen -Seiner
erlösenden Liebe gegenüber- für uns heilsam
oder nutzlos sind:
Der Pharisäer steht für den Selbstgerechten, den
Menschen, der sich selbst verwirklichen will, dank all seiner
Leistungen und seiner Selbstsicherheit, der auf seinen Individualismus
stolz ist:
"Er betet bei sich selbst: ich danke Dir, dass ich nicht bin wie die
übrigen Menschen"
Der Zöllner zeigt uns dagegen, die allein fruchtbare, die
Haltung, für die das Heil nahe ist:
Er "steht von Ferne und wagt es nicht, seine Augen gen Himmel zu
erheben".
Er weiss um die Distanz zur erhabenen, ganz anderen
Wirklichkeit des über alles erhabenen, allerhöchsten
Gottes über jeden Gott, DEN, zu dem sich der selbstgerechte
Mensch selber machen wollte.
Er weiss um seine Schulden, die
Sünden und "klopft an s e i n e Brust", nicht an die Brust der
anderen um andere für deren Vergehen zu tadeln.
Er weiss, das
sein Schöpfer auch sein ihn liebender Erlöser ist,
der ihm sogar an seiner göttlichen Natur Anteil geben will.
Der sich selbst richtig einschätzende Zöllner (= der
Sünder par excellence), e r b i t t e t das Erbarmen Dessen,
Der die Liebe ist:
"Gott, gewähre mir Deine Gnade !"
An
diesem Sonntag, Brüder und Schwestern, beginnt die Heilige
Kirche, ihre
Kinder auf die Fastenzeit vorzubereiten,
eine wichtige Zeit im Leben eines
jeden orthodoxen Christen.
In der Sprache des kirchlichen Typikon wird der
heutige Tag der Sonntag des Zöllners und Pharisäers
genannt. Er wird so
genannt, weil unserer Aufmerksamkeit das Gleichnis unseres Herrn Jesus
Christus
von den zwei Männern empfohlen wird (Lk 18:10-14), die wie wir
zum Beten in den
Tempel kamen. Das Gleichnis lehrt uns am Beispiel des Zöllners
und des
Pharisäers, mit welcher geistlichen Haltung man beten sollte,
wo immer man ist,
besonders im Tempel Gottes.
Denn gerade durch das
Gebet vereint sich der Mensch
mit Gott und erhält von Ihm alles, was für die
Errettung und das ewige Leben
unerlässlich ist.
Der
Pharisäer und der Zöllner, so haben wir
gehört, kamen in den Tempel
Gottes, um zu beten.
Zwei Männer, zwei Sünder, mit dem einzigen
Unterschied,
dass der Pharisäer sich nicht als Sünder erkannte und
der Zöllner schon.
Der
Pharisäer, der sich für ganz würdig hielt,
trat vor und betete zu Gott mit diesen
Worten: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen
Menschen bin, wie
Wucherer, Diebe, Ehebrecher oder wie dieser Zöllner. Ich faste
zweimal in der
Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich erwerbe.“ Er
betete und rühmte
sich und zählte seine Taten auf.
Wie der Pharisäer kann jeder, wenn er will,
für den Tempel spenden und den Armen geben, das Fasten
einhalten und sich der
großen Sünden enthalten, aber eine Vielzahl von
geistigen Sünden völlig
übersehen. Bosheit,
Neid, Hass, Prahlerei, Stolz – all das kann
zusammen mit
äußerlichen Tugenden im Menschen wohnen und ihn
verunreinigen und ihn vor Gott
unwürdig machen.
Zu hoffen, in einem solchen Fall gerettet zu werden, ist eine
tiefe Verblendung.
Das
Gebet des Steuereintreibers war ganz anders. Er sprach wenig, aber mit
Kummer über seine Sünden.
Ohne den Kopf zu heben, schlug er sich auf die Brust
und wiederholte nur: „Gott, sei mir Sünder
gnädig!“ Der Zöllner listete nicht
seine guten oder bösen Taten auf. Gott weiß alles.
Er braucht keine Auflistung
von Werken, sondern Buße.
Der Zöllner weinte nur und schrie in seiner Seele:
„Gott, es gibt keine Entschuldigung für mich, auch
keine verdienstvollen Taten,
sondern ich bitte um Deine Güte, sei mir, dem Sünder,
gnädig.
Du, Gott, bist
der Arzt – ich bin krank. Nur Du kannst mir helfen. Gott, sei mir, dem
Sünder,
gnädig.“ Das ist es, was
der Herr von uns will, wenn wir beten.
Er will
demütiges Gebet und Zerknirschung ob der Sünden.
Und das Ergebnis: Der Zöllner,
der im Gebet Zerknirschung ob seiner Sünden besaß,
ging gerechtfertigt aus dem
Tempel, während der Pharisäer, der übervoll
an Eitelkeit und Stolz war,
verurteilt wurde. Der Pharisäer ging weniger gerechtfertigt
nach Hause als der
Zöllner, denn er hatte sich selbst gelobt und sich selbst in
seinen eigenen
Augen so hoch erhoben, dass er nichts für die Barmherzigkeit
Gottes übrig ließ.
Der Zöllner hingegen ging gerechtfertigt, von den
Sünden gereinigt und mit
Gnade erfüllt aus dem Tempel.
Was für ein unterschiedliches Gebet!
Was
für eine
unterschiedliche Geisteshaltung!
Bevor
wir in den Bereich der Großen Fasten eintreten und
Buße für unsere
Sünden darbringen, lehrt uns die Kirche, Brüder und
Schwestern, das richtige
Gebet und die demütige Gesinnung der Seele, mit der jeder von
uns vor Gott
stehen sollte.
Wenn wir auf die Menschen schauen, die in den Tempel gekommen
sind, müssen wir die Verurteilung und den Hochmut vermeiden,
die zusammen mit
den äußeren Tugenden in uns leben und uns
verunreinigen können und uns vor Gott
unwürdig machen.
Lasst uns lieber Tränen der Reue über unsere
Sünden vergießen
und die Worte des Gebetes sprechen: „Gib, Herr, dass ich,
meine Übertretungen
sehe und nicht meinen Bruder verurteile…“
Nur dann haben wir die Hoffnung, von
Gott erhört zu werden, denn wir wissen aus der Heiligen
Schrift, dass „Gott das
zerknirschte und demütige Herz nicht erniedrigen
wird“ (Ps 50,19),
d.h. es
nicht der Macht und der Verachtung der Dämonen
überlässt, wie ein stolzes, von
Eitelkeit und Hochmut erfülltes Herz überlassen wird.
Möge jeder von uns, wenn
wir im Tempel versammelt oder im Gebet stehen, immer daran denken, dass
wir den
Tempel gerechtfertigt und nicht verdammt verlassen.
Amen.
Apostel:
1 Kor 6:
12-20
Vater Alexander Schmeman:
"
Rückkehr aus dem Exil "
Evangelium: Lk 15: 11-32
"Alles ist mit erlaubt, aber ich soll mich von nichts
beherrschen lassen"
Damit ist das Fasten jeder fremden Beurteilung von aussen entnommen. Es
kann daher nach orthodoxem Verständnis auch nicht zum
öffentlichen Gesetz werden, zumal es, wie der Herr anweist (Mt
6: 16-18) im Verborgenen geschehen soll.
Das Evangelium stellt dann den eigentlichen Sinn der Fastenzeit heraus:
Der Aufbruch zur Umkehr zum Vater, der den Verlorenen Sohn mit Freuden
aufnimmt und reich beschenkt. Es ist wohl kein Zufall, dass an diesem
Herrentag erstmals im Nächtlichen Psalmengebet (Ps 136)
angestimmt wird.
Der
selbstherrliche,
auf seine vermeintliche Autonomie allzu stolze Mensch ist -von seinem
Ursprung her- Sohn des himmlischen Vaters. Alles, was er hat, hat er
von Gott.
Er zieht in ein gottfernes Land, liefert sich einer gottfernen
Gesellschaft aus. Er nimmt so viel er kann aus seiner Mitgift, dem
Eigentum Gottes. Er verschwendet es hemmungslos an Idole, die ihm
kurzfristig faszinierend erscheinen.
Als es seine Mitgift verbraucht hatte, im Genuss des Materiellen,
Innerweltlichen, tritt die Hungersnot ein.
Nichts vermag ihn zu sättigen im Anblick des Absterbens seiner
Lebendigkeit, niemand, keine Parole kann ihn mehr begeistern.
Keines seiner Idole kommt ihm zu Hilfe: "Ich sterbe hungers !"
Aber er hat noch die Kraft seine Niederlage einzugestehen: "Wie viele
Tagelöhner im Hause meines Vaters haben Überfluss an
Brot.
Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen".
Es ihm gleich zu tun, dazu fordert uns die Kirche auf, jetzt in der
Zeit des Aufbruchs in die Grossen Fasten vor der Auferstehung.
"Ich will mich aufmachen", ich will aufstehen, damit Überblick
gewinnen, Gewohntes verlassen und mich auf den Weg machen,
den die Fastenzeit mir öffnet, hin zum Vaterhaus.
Das ist das Ziel: zu Gott, zu unserem Vater zu gelangen.
Er macht mich frei.
Er nährt mein innerstes Leben.
Er will mir in der Wohnung Seiner Herrlichkeit Geborgenheit auf ewig
bieten.
"Ich will dem Vater sagen: ich habe gesündigt wider den Himmel
und vor Dir; ich bin nicht wert, Dein Sohn zu heissen". Die Not der
Sünde, der Gottesferne, ist die tiefste Not. Wo sie am
grössten ist, ist sie am gefährlichsten, besonders
wenn jeder Hilfeschrei betäubt und ihre Symptome
verdrängt werden. Sünde ist immer gegen alles
gerichtet, was sich über den irdischen Niederungen, den
menschlichen Gemeinheiten, wölbt. Die Sünde
widersetzt sich der Güte Gottes.
Sie ist immer Lüge gegen die Wahrheit des göttliche
Lebens in uns.
Wer könnte sagen, er wäre ohne Sünde: "Weil
kein Mensch lebt ohne zu sündigen" (1 Könige 8: 46) ?
Die Fastenzeit schafft uns eine gute Gelegenheit, unsere
Sünden vor Gott, unserem Vater zu bekennen: im Mysterium der
Busse (der Beichte und Umkehr).
Es tut uns gut, wenn wir noch sagen können: "Ich habe mich
versündigt an der Liebe zu Gott und den Nächsten" !
"Als er (wir) noch weit entfernt war(en), sah ihn (uns) der Vater -und
war von Mitleid gerührt, er lief ihm (uns) entgegen, fiel ihm
(uns) um den Hals und küsste ihn (uns). Die Liebe des Vaters
kommt uns stets in Christus entgegen, wenn der Sünder
aufrichtig seinen hilfsbedürftigen Zustand mit Glauben und
kindlicher Hoffnung und Vaterliebe ausbreitet.
Sein Mitleid teilt unser Leid und unseren Tod. Der Sünder
öffnet die Herzwunde Christi, Gottes, aus der das Wasser des
Mysteriums der Taufe (die Väter nennen das Mysterium der Busse
"eine zweite Taufe") und das Blut der Eucharistie (des Mysteriums vom
allerreinsten Leib und Blut des Herrn) fliesst.
Gott umarmt uns als Seine Kinder.
Gott schützt uns mit Seiner Kleidung (in der Taufe haben wir
"Christus angezogen"), der besten Kleidung, der Kleidung der Kindschaft
Gottes -wenn wir uns blossgestellt fühlen, wie einst Adam.
Gott setzt uns ein, in Sein Erbe, das unverwesliche Erbe der
Unsterblichkeit.
Und trotz all dieser Gaben will er unsere Freiheit: Er gibt uns den
Siegelring der Freien.
Die Kirchenväter deuten es noch tiefer:
Die Schuhe weisen auf die Befähigung auf dem Weg (Christi)
fortzuschreiten, das Siegel auf das Siegel des Heiligen Geistes.
Unser Vater bereitet uns das Freudenmahl -das Ostermahl, -die
Göttliche Liturgie.
Auch wenn wir dem zweiten Sohne gleichen, der tief in seinen Alltag
verstrickt ist, und glaubt durch äusserliche
"Anständigkeit"
immer im Sinne des Vaters gehandelt zu haben, und so zum Knecht seiner
Selbstgerechtigkeit geworden ist, und wenn wir, wie er, nicht
hineingehen wollen, um uns für das Freudenfest bereit zu
machen, so sucht uns doch der Vater heim:
"Da kam sein Vater heraus, und redete ihm zu"
Hören auch wir auf Gott, unseren Vater wenn er uns durch die
Tradition der Kirche jetzt in der Vorfastenzeit auf das
österliche Freudenfest vorbereitet !
Ja, wir wollen nicht mehr fern der Freude der Gemeinschaft mit Gott,
fern dem wahren, von Ihm geschaffenen Leben des Paradieses, leben.
Ja, ich werde die Fesseln der Torheit lösen, die mir von Ihm
geschenkten Reichtuemer nicht mehr mehr mit Sündern
verschwenden, sondern mich aufmachen und zu meinem
mitfühlenden Vater zurückkehren.
"An
den Flüssen von Babylon ..."
~~~ Na Rekach Babylonskich ~~~
Chor des Klosters in Pyuchtiza
Erzpriester
Alexander
Schmemann:
(langjähriger Dekan der Orthodoxen Theologischen Akademie der
USA St. VLADIMIR´s)
An
diesem Sonntag der Vorbereitung auf die Fastenzeit hören wir
das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32).
Zusammen mit den Hymnen dieses Tages erschließt uns dieses
Gleichnis die Zeit der Reue als die Rückkehr des
Menschen aus dem Exil.
Der verlorene Sohn, so hören wir, bricht auf in ein fernes
Land und verschwendet dort alles, was er besitzt.
Ein fernes Land!
Das ist die einzig zutreffende Bezeichnung für unsere
Bedingtheit als Mensch, die wir annehmen und zu der unseren
machen müssen, wenn wir unseren Weg zu Gott hin beginnen.
Ein Mensch, der niemals diese Erfahrung gemacht hat, und sei es auch
nur für kurze Zeit, dass er in der Gottesfeme lebt und von dem
wahren Leben abgeschnitten ist, wird niemals verstehen, was es mit dem
Christentum auf sich hat.
Und jemand, der vollständig in dieser Welt und in dem Leben
dieser Welt »zuhause« ist, der nie von dem
sehnsuchtsvollen Wunsch nach einer anderen Wirklichkeit schmerzlich
getroffen wurde, der wird nie verstehen, was bereuende Umkehr ist.
Oft
wird die bereuende Umkehr einfach mit einer nüchternen und
»sachlichen« Aufzählung von
Sünden und Übertretungen, einem
»Schuldbekenntnis« bei einer gerichtlichen Anklage,
gleichgesetzt.
Geständnis und Absolution werden als juristische Akte
betrachtet.
Man übersieht jedoch etwas sehr Wesentliches,
ohne das weder das Schuldbekenntnis noch die Absolution eine wirkliche
Bedeutung oder Wirksamkeit erlangen können. Dieses
»Etwas« ist ganz genau das Empfinden des
Verbanntseins von Gott, weit verbannt von der Freude der Gemeinschaft
mit ihm und fern dem wahren Leben zu sein, das durch Gott geschaffen
und geschenkt wird. Es ist in der Tat leicht zu bekennen, dass ich an
den vorgeschriebenen Tagen nicht gefastet habe, dass ich meine Gebete
vergessen habe oder jähzornig gewesen bin. Eine ganz andere
Sache ist es jedoch, wenn ich mir unvermittelt eingestehen muss, dass
ich Schande auf mich geladen und meine geistliche Schönheit
verloren habe, dass ich mich sehr weit von meinem eigentlichen Zuhause,
von meinem wahren Leben entfernt habe, und dass ich in dem innersten
Gewebe meiner Existenz etwas Kostbares, Schönes und Reines in
nicht wiedergutzumachender Weise zerstört habe. Indessen
bedeutet dies, und nur dies, die bereuende Umkehr, und deshalb entsteht
auch ein tiefgreifendes Verlangen, umzukehren, zurückzugehen
und jenes verlorene »Heim« wiederzufinden.
Von Gott habe ich wunderbare Reichtümer erhalten:
zunächst das Leben und die Möglichkeit, mich dessen
zu erfreuen,
ihm einen Sinn geben zu können,
es mit Liebe und Erkenntnis ausfüllen zu können;
dann – in der Taufe –
das neue Leben in Christus selbst,
die Gabe des Heiligen Geistes,
den Frieden und die Freude auf das ewige Königreich.
Ich habe die Erkenntnis Gottes erhalten,
und in ihm die Erkenntnismöglichkeit einer jeden Sache,
und die Kraft, Kind Gottes zu sein.
Und dies alles habe ich verloren;
dies alles verliere ich ständig, nicht nur in den besonderen
»Sünden« und
»Übertretungen«, sondern durch die
Sünde aller Sünden, indem ich meine Liebe von Gott
abwende und das »ferne Land« der Schönheit
des Hauses des Vaters vorziehe.
Aber die Kirche ist da, um mich daran zu erinnern, was ich aufgegeben
und verloren habe.
Und während sie mir dies ins Gedächtnis
zurückruft, erinnere ich mich; so wie es das Kontakion dieses
Tages ausdrückt:
»Fern von der Herrlichkeit des Vaters bin ich in
meiner Torheit Fesseln umhergeirrt
und habe mit den Sündern die Reichtümer, die du mir
anvertraut hattest, verschwendet.
So rufe ich mit dem verlorenen Sohn zu dir:
Barmherziger Vater, ich habe gegen dich gesündigt.
Nimm mich reuigen Sünder wieder auf und nimm mich an wie einen
deiner Tagelöhner ... !« Und während ich
mich erinnere, spüre ich in mir das Verlangen und die Kraft
zurückzukehren:
»... Ich werde mich aufmachen und zu meinem
mitfühlenden Vater zurückkehren
und werde zu ihm unter Tränen sagen:
Nimm mich auf wie einen deiner Diener! «
In diesem Sinne singen wir heute den sehnsuchtsvollen Psalm 136:
Schmemann,
Alexander
(Erzpriester und langjähriger Dekan der Orthodoxen
Theologischen Akademie der USA St. VLADIMIR´s)
"Die Große Fastenzeit - Askese und Liturgie in der Orthodoxen
Kirche"
Veröffentlichungen des Instituts für Orthodoxe
Theologie, Bd. 2, München 1994
"An
den Flüssen von Babylon ..."
~~~ Na Rekach Babylonskich ~~~
Chor des Klosters in Pyuchtiza
Apostel:
1 Kor 8:8 - 9:2
Evangelium: Mt 25: 31 - 46
Dieser
Herrentag wird nach dem Evangelium "vom Gericht" oder nach der
Tradition der Kirche "Herrentag der Fleischenthaltung"
(= APOKREO = MESOPUSTNA = Carne val) genannt. Mit dem Abendgottesdienst
an diesem Sonntag beginnen die Gläubigen sich in
Fleischenthaltung zu üben.
In der folgenden Woche wird der Körper noch einmal mit Milch,
Butter und Käse gelabt, bevor danach am Abend des
nächsten Sonntags die Grossen 40-tägigen Fasten vor
der österlichen Festzeit beginnen.
Orthodoxe
Mönche und Monialinnen verzichten auf Dauer auf die
Ernährung durch Fleisch. Während der Fasten enthalten
sich auch die Laien. Der Verzicht auf Fleisch soll als ein Zeichen der
Hoffnung auf das Himmelreich verstanden werden. Im ewigen Friedensreich
Gottes werden sich Seine Geschöpfe nicht mehr fressen und
gefressen werden(Jes 11: 6-9). Unser Fasten nimmt dieses Friedensreich
im Glauben vorweg.
Die Apostellesung betont wieder einmal die wahrhaft christliche
Freiheit gegenüber allen religiösen
Speisevorschriften:
auf Erden in Herrlichkeit
wird das All erzittern
und von Deinem Richterstuhl ein Feuerstrom ausgehen,
die Bücher werden geöffnet und das Verborgene wird
offenbar.
Dann errette mich aus dem nie erlöschenden Feuer
und würdige mich,
zu Deiner Rechten zu stehen,
gerechtester Richter !
Kommet, lasset uns dem Herrn frohlocken,
jauchzen dem Fels unseres Heils !
Lasset uns vor Sein Angesicht treten
mit unserem Bekenntnis !
Mit Psalmen lasset uns Ihm zujubeln !
Aus dem 2.Vortrag von
Vater FJODOR Hölldobler, Herbstseminar
1998
Bischofsheim a.d.Rhön
Als
pastorale
Grundlage zu unserem Thema aus der Hl. Schrift ist zunächst
das Gebet zu beachten, das der Priester zu Beginn der Beichte liest:
Hier wird der "büssende David" genannt, "der sich von seinen
Verfehlungen bekehrt hat".
Das bezieht sich auf 2 Samuel 11: 14 - 27, wo David den Hethiter Uris
bei der Eroberung der ammonitischen Stadt Rabba umkommen
lässt,
um in den Besitz seiner Frau Batseba zu gelangen, die er dann auch
heiratet und die ein Kind von ihm bekommt.
In 2 Sam 12: 1 - 14 wird geschildert, wie eines Tages der Prophet Natan
zu ihm kommt. Er kleidet sein Anliegen zunächst in eine
Geschichte
von einem Reichen und einem Armen: Der Reiche hatte viele Schafe und
Rinder, der Arme hatte nur ein einziges Schaf,
das er sehr liebte. Da bekam der reiche Mann Besuch. Er nahm dem Armen
das Schaf weg, schlachtete es und setzte es seinem Gast vor.
Während Natan erzählt, wird David immer zorniger und
ruft: "Der Mann soll sterben, der das getan hat." Aber er muss sich
sagen lassen, dass -er- dieser Mann ist: "Gott sagt dir: Ich habe dir
alles gegeben, Sauls Tochter,
seine Frauen und seine Herrschaft. Du hättest noch mehr
bekommen können. Warum musstest du Uris umbringen
und seine Frau heiraten ?" Natan ging, nachdem David seine Schuld
eingesehen hatte, aber als Strafe sollte das Kind sterben. An diese
Stelle gehört nun der immer wieder neu ergreifende Psalm 50.
David wurde krank vor Kummer. Am selben Tag ist gemeldet worden, dass
sein Sohn krank ist. Er betet und fastet, aber am siebenten Tage stirbt
das Kind.
David war ohne Zweifel der modernste Staatsmann im Vorderen Orient
seiner Zeit. Er war kein orientalischer Despot,
sondern hing persönlich an der Überlieferung seines
Volkes, die aus der Wüstenzeit herkam. Er war Landsknecht,
Künstler, Gottsucher, Prophet und Fürst zugleich. In
David verstand sich Israel aufs neue von Gott erwählt und
geführt. Aber in David hatte alles Menschliche Raum, im Guten
wie im Bösen, wie diese Geschichte zeigt. Die Busse, zu der
David fähig war, zeigt seine Grösse als
religiöser Mensch, als Prophet und Künder des
Bussgedankens.
Sodann wird Manasse genannt, dessen Bussgebet der Herr "angenommen"
hat. In 2 Chr 32: 21 - 33: 12 lesen wir, wie Jerusalem von den Assyrern
belagert wird. Hiskia bleibt Gott treu, indem er dem Propheten Jesaja
vertraut. Die Assyrer müssen abziehen, nachdem offensichtlich
eine Seuche im Lager ausgebrochen ist. Solange Hiskia lebt, wagen die
Assyrer keinen einzigen neuen Angriff auf Jerusalem. Nach seinem Tode
wird sein Sohn Manasse zum König gekrönt, da
versuchen die Baalsanhänger, ihn zur Abkehr von Gott zu
bewegen. Manasse hört auf ihren Rat und führt den
Götzendienst in Juda wieder ein. Er stellt sogar im Tempel
Gottes ein Götzenbild auf. Die Assyrer besiegen Manasse und
nehmen ihn gefangen. In Fesseln wird Manasse durch die Strassen von
Jerusalem geführt. In Babylon wird er ins Gefängnis
geworfen. Im assyrischen Kerker überdenkt Manasse, wie die
Assyrer zur Regierungszeit seines Vaters Jerusalem nicht einnehmen
konnten, weil er Gott diente, und dass er selbst von Gott abgefallen
war. Er bereut seine Sünden und bittet Gott um Vergebung.
Eines Tages wird er vor den König von Assyrien gebracht, der
ihn nach Hause schickt, um Juda zu regieren.
Im Neuen Testament genannt wird "die Sünderin", der "die
Schuld" von Jesus Christus vergeben wurde.
Gemeint ist die Frau, die ins Haus kam, als er Gast im Hause des
Pharisäers Simon war, Lk 7: 37. Die Erzählung vom
Mahl beim Pharisaär Simon wird von Lukas allein
überliefert, ist jedoch mit jener von Mt 26: 7 -13 verwandt,
wo eine Frau im Hause Simons des Aussätzigen in Betanien Jesu
Füsse salbt. Dort ärgert sich manch einer unter den
Jüngern Jesu wegen der "Verschwendung", hier hingegen der
Pharisäer, weil die Frau eine Dirne ist, die mit Jesus in
Kontakt kommt. Diese Begebenheit ist Anlass für eine
bemerkenswerte Lehre des Evangeliums (7:47): Wer für viele
Sünden Verzeihung erlangt hat, wird viel Liebe zeigen.
Sodann wird der "bitterlich weinende Petrus" zitiert, dem der Herr die
"Verleugnung nachgesehen" hat. Die ergreifende Szene aus der Passion
ist ja doch sehr bekannt.
Wenn wir nun die genannten Schriftstellen vergleichen, so sehen wir,
dass die genannten Sünden eine gemeinsame Wurzel haben.
Das ist einfach die Gottvergessenheit.
David, der es herrlich verstand zu singen: "Mein Hirt ist Gott der
Herr", dieser David dringt in die Herde ein wie ein Wolf und vergisst
den Hirten.
Manasse erliegt den Einflüsterungen seiner Ratgeber, die ihm
versprechen, dass er so reich und mächtig würde wie
die Assyrer, wenn er Götterbilder aufstellen lässt so
wie sie, und vergisst seinen Gott. Wer seinen Leib der Hurerei hingibt,
der vergisst, dass dieser ein Tempel Gottes ist ( 1 Kor 3: 16 ).
"Hütet euch vor der Unzucht ! Jede andere Sünde, die
der Mensch tut, bleibt ausserhalb des Leibes.
Wer aber Unzucht treibt, versündigt sich gegen den eigenen
Leib. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen
Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt ?" ( 1 Kor 6:
17 )
Als Petrus sagt: "Ich kenne diesen Menschen nicht !" hat er Ihn in
diesem Augenblick tatsächlich nicht mehr gekannt. Er hat alles
vergessen aus der existentiellen Bedrohung heraus.
So sind auch wir als Sünder meist nicht grundsätzlich
gegen die Gebote Gottes eingestellt. Wir wollen meist auch seine
göttliche Autorität nicht anfechten wie Lucifer, aber
in der Stunde der Versuchung vergessen wir einfach, was vorher war, wie
gut der Herr zu uns war. Die dunkle Nacht der Sünde
hält uns gefangen.
Deshalb verwendet die Orthodoxie soviel Kraft auf die
Heiligung der Sinne, auf die Vergöttlichung der sinnlichen
Sphäre, um dem Menschen die Verführbarkeit durch die
entsprechenden Anreize zu nehmen.
Die Heilige Schrift ist voll von Beispielen der Gottvergessenheit:
Adam und Eva "vergessen" Gottes Gebot / Kain vergisst seinen
brüderlichen Auftrag / Noahs Zeitgenossen vergessen ihren
Schöpfer / die Turmbauer zu Babylon vergessen Gottes Allmacht
/ Jakobs Brüder vergessen, dass Gott erwählt / die
Israeliten vergessen Seine Führung und beten das goldene Kalb
an / zwei Söhne des Aaron vergessen ihren priesterlichen
Dienst und meinen "Feuer ist Feuer" / das Volk vergisst seinen
Ernährer und wünscht sich zurück an die
ägyptischen Fleischtöpfe / Aaron und Miriam
vergessen, dass sie sich nicht mit Moses vergleichen können
und dass Er -ihm- das Volk anvertraut hat / Korah und andere
Gemeindevorsteher vergessen, dass Moses der von Gott erwählte
Führer ist und bestreiten seine Autorität, mit dem
Argument, die ganze Gemeinde sei heilig. / Vor der Schlangenplage
vergessen die Leute Gottes Wohltaten und lästern gegen das
Manna / im Gelobten Land vergessen sie wieder Gott und beten fremde
Götter an, die Kanaaniter können sie besiegen.
Die Gottvergessenheit durchzieht die ganze Geschichte des Gottesvolkes.
Kaum ging es allen gut und sie lebten in Frieden vergassen sie Gott und
kehrten erst durch die Umstände belehrt zurück.
Für uns ist es auch sehr wichtig, die Zeichen zu erkennen, mit
denen Gott unsere Umkehr fordert, der Mensch kann durch allerhand
Warnzeichen erkennen, dass er sich von Gott entfernt hat und kann durch
Busse der drohenden Strafe entgehen. Er wird umkehren und Aufnahme
finden wie der Verlorene Sohn.
Die Rückkehr ins Vaterhaus geschieht durch das Busssakrament.
Joh 20: 19 - 23 berichtet seine Einsetzung.
Das Gebet des Priesters bei, bzw. vor der Beichte zitiert Mt 18: 22, wo
der Herr auf die Frage des Petrus hin sagt, dass die Sünden
siebenundsiebzigmal vergeben werden sollen. Der Neue Bund hat uns
Gottes verzeihende Liebe nahegebracht und der Priester, der die Macht
hat, zu binden und zu lösen, wird sich in verantwortungsvoller
Weise darauf einstellen .
"Die
Tueren zur Umkehr, oeffne mir, Lebensspender ! ..."
~~~ Komponist: Artemij WEDEL /// Interpretation: F.TSCHALJAPIN mit Chor
der Russischen Orthodoxen Kathedrale Paris 1932 ~~~
zur Link-Quelle: "http://www.musicarussica.com"
~~~vollständig:Chor der
Christi-Verklärungskathedrale, Moskau /Regent Vladimir LVOV~~~
zur Link-Quelle: "http://en.liturgy.ru/zvuk/zvuk.php"
"Über
die Vergebung" von Erzbischof Antonij von Surozh (London)
Apostel: Rm 13:11 -
14:4
Evangelium: Mt 6: 14 - 21
Das Evangelium dieses
Sonntags, an dessen Abend
die Grossen Fasten beginnen, erinnert uns daran, dass wir Vergebung vom
Herrn erst erwarten können, wenn wir nicht selbst bereit sind,
unseren Mitmenschen zu vergeben, was sie uns an Verletzung
zugefügt haben - und sie unsererseits um Vergebung zu bitten
für das, was wir bewusst oder unbewusst an ihnen gefehlt
haben.
Darum findet an diesem Sonntagabend nach der Vesper in die Handlung des
Gegenseitigen Vergebens statt, wie sie am Schluss des Apodipnons in
Klöstern täglich geübt wird. In manchen
Kirchen wird dieser Ritus aus praktischen Gründen unmittelbar
nach der Liturgie ausgeführt. In den Häusern ist die
Vergebung als Abschluss der Karnevals- und Butterwoche mit einem Fest
vor allem für die Kinder verbunden, dabei werden zum letzten
Mal die Milch- und Butterspeisen genossen.
Die folgende Woche ist ganz dem intensiven
Fasten gewidmet. Es beginnt die fortlaufende Lesung aus dem
Buch Genesis, die im Sündenfall und dessen Folgen
mündet. Mit dem Verlust des uns von Gott bereiteten Paradieses
durch unsere selbstzerstörerischen Abwege beginnt auch die
Sehnsucht nach dem Ende der widernatürlichen Sünden
und dem neuen Paradies. Die dafür erforderliche Bereitschaft
zur Umkehr wird in der kommenden Woche durch das Gebet des heilsamen Busskanons des Hl.Andreas von Kreta
gefördert. Wir fühlen mit, dass wir mit unseren
Sünden nicht allein sind, aber werden auch dazu ermutigt, uns
den Figuren des Bibel anzuschliessen, die den Mut fanden, Gott um
Vergebung zu bitten, und Ihm damit wieder nahe zu kommen.
Trotz -und vielleicht wegen- all unserer negativen Erfahrungen ruft uns
die Apostellesung zu:
Über die Vergebung
zum Sonntag der Vergebung
von Erzbischof Antonij von Surozh (London)
Übersetzung
aus dem Englischen: Irene Hoening
hier aus St. Andreas Bote
"Die
Tueren zur Umkehr, oeffne mir, Lebensspender ! ..."
~~~ Komponist: Artemij
WEDEL /// Interpretation: F.TSCHALJAPIN mit Chor der Russischen
Orthodoxen Kathedrale Paris 1932 ~~~
zur Link-Quelle: "http://www.musicarussica.com"
~~~vollständig:Chor der
Christi-Verklärungskathedrale, Moskau /Regent Vladimir LVOV~~~
zur Link-Quelle: "http://en.liturgy.ru/zvuk/zvuk.php"
zum folgenden Gottesdiensttext - Aufnahme des Gottesdienstes aus der
Russischen Orthodoxen Kirche
~~~
1.Teil ~~~
~~~
2.Teil ~~~
aus der
Internetseite www.liturgy.ru
Unerforschbar ist die Geburt nach jungfraeulicher Empfaengnis,
Der Hl. ANDREAS von KRETA ist ein hervorragender Vertreter der
poetischen Theologie der fruehen oestlichen Christenheit.
660 im noch christlichen Damaskus geboren, wurde er um das Jahr 700
Erzhirte von Gortyna, der damaligen Metropole von Kreta.
Sein Kanon fasst heilbringende Botschaften des Christentums poetisch
zusammen, zu einer Zeit als eben die erste Welle der diese
Heilsbotschaft gefaehrdenden Irrlehren ueberwunden war.
Hoechstwahrscheinlich selbst zeitweise von diesen -damals wie heute-
verbreiteten Lehren irregeleitet war, laedt er zur Umkehr ein -im
Vertrauen auf die Milde Gottes, und zur Besinnung auf die wahren Werte
des Menschen als Ebenbild Gottes.
Hirtenbrief
zum Beginn der heiligen großen
vierzigtägigen österlichen Fastenzeit
* Quellenhinweis *
† Bartholomaios
durch
Gottes Erbarmen
Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom, und Ökumenischer
Patriarch
dem ganzen Volk der Kirche Gnade und Friede von Christus, unserem
Erlöser,
von uns aber Fürsprache, Segen und Vergebung
"Die
Zeit ist da, der Anfang der geistlichen Kaempfe !"
(Doxastikon der Laudes am Herrntag des Milchverzichts)
In Christus geliebte Brüder und Schwestern!
Mit diesen Worten mahnt uns der Dichter, am Anfang dieser heiligen vierzigtaegigen Fastenzeit unsere geistlichen Kaempfe zu intensivieren, um uns geistlich zu ruesten und geistlich voranzuschreiten.
Von Anfang an haben die Menschen festgestellt, dass das Gute nur mit Entsagung erlangt wird. Dementsprechend haben die heiligen Vaeter betont, dass man, wie es charakteristischer Weise der hl. Isaak der Syrer ausdrueckt, die Bequemlichkeit aechten muesse, um Gottes Liebe, die alle ewigen und zeitlichen Gueter, um die wir stets emsig besorgt sind, nehmen wir Menschen unzaehlige Muehen in Kauf.
Die geistlichen Gueter aber schenkt uns
Gott unter der Voraussetzung, dass wir aufrichtig zuerst Ihn Selbst und
Seine Liebe suchen und sie nicht etwa egozentrisch zu unserer eigenen
Erbauung und individuellen Genugtuung missbrauchen.
Der Herr hat uns deutlich gesagt: "Sucht zuerst das Reich
Gottes und seine Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugegeben
werden" (Mt 6:33). Und er hat uns versichert, dass der, der
sich versteht, sein Leben um der Liebe Gottes willen zu verlieren, es
retten wird. Das heisst: Wer grossmuetig die Liebe seines Gottes und
Vaters im Auge hat und nicht kleinmuetig auf materielle oder geistliche
Gueter schielt, ohne dass ihm an Gott selbst gelegen waere, der wird
endlich die Liebe Gottes, um die es ihm geht, ebenso erlangen wie
Gottes Gueter jeglicher Art, um die es ihm nicht geht.
Denn unser Vater im Himmel, Geliebte im Herrn, der uns liebt und will, dass wir gerettet werden, der Geber und die Quelle alles Guten, wird uns, wenn wir uns zu ihm bekehren, auch alle anderen Gueter geben, deren wir beduerfen. Das erste Gewand, das gemaestete Kalb, den Ring fuer die Hand, das Festmahl mit den Freunden und vor allem seine vaeterliche Umarmung.
Um in diese vaeterliche Umarmung einzugehen, muessen wir uns abkehren von unseren Suenden und von der leidenschaftlichen Hingabe an uns selbst, deren Symbol die Schweineschoten des Evangeliums sind; muessen wir die Aufrichtigkeit der Sehnsucht der Liebe Gottes durch einen entschiedenen und ehrgeizigen geistlichen Kampf unter Beweis stellen.
Das Wesen des geistlichen Kampfes besteht darin, dass wir allein Gottes Liebe suchen und begehren und uns im Gegenzug allen rechtmaessigen Guetern und Wuenschen versagen, um uns mit ungeteiltem Herzen und Geist jenem Ziel zuzuwenden, das alle anderen Ziele ueberragt. Aus diesem Grund bedeutet auch das Fasten, das eine asketische Zitadelle der grossen Fastenzeit darstellt, keine grundsaetzliche Ablehnung des Essens unter Danksagung, sondern einen freiwilligen Verzicht auf jenes Behagen, das es dem Leib verursacht - und das mit dem Ziel, die Seele aus ihrer ausschliesslichen Selbstbefangenheit zu loesen und den Leib der Fuehrung des Geistes zu unterwerfen. Der Leib soll naemlich der menschlichen Person dienen, statt sie zu beherrschen.
Der Zweck der geistlichen Uebung besteht nicht darin, Tugenden oder aussergewoehnlichen Faehigkeiten zu erwerben, wie die Anhaenger diverser Humanismen glauben, sondern darin, unserem Verlangen Ausdruck zu geben, der Person unseres Herrn Jesus Christus, in dem alles sich vollendet und von dem alles seinen Ausgang nimmt, zu begegnen. Das personale Wort Gottes verkuendet unmissverstaendlich - und auch der Dichter erinnert uns daran - dass wir uns vergeblich muehen, wenn nicht der Herr das Haus der Tugenden unserer Seele baut.
Wir Christen ergeben uns also der Liebe Christi und verzichten zugleich freiwillig darauf, vielen anderen sekulaeren Vorlieben und Neigungen nachzugehen, damit wir der Anwesenheit Christi im Haus unserer Seele gewuerdigt werden. Wenn das nach dem Wohlgefallen und der Gnade Gottes geschieht, dann werden uns auch der Friede, die Freude und die vollkommene Liebe unentwendbar zu eigen gegeben.
Deshalb vollzieht sich der geistliche Kampf nicht in Traurigkeit oder unter Zurschaustellung, sondern in Freude und Verborgenheit, soweit es uns moeglich ist. Jede Form von Demonstration fuehrt dazu, dass wir das Ziel der Liebe Gottes durch das der Ehrsucht ersetzen. Traurigkeit und Niedergeschlagenheit vertreiben die Heiterkeit und die Freiwilligkeit und fuehren dazu, dass der Fastende einer Stimmung des Bedruecktseins und der Gezwungenheit verfaellt, also seelischen Zustaenden, die Gott nicht gefallen.
Der geistliche Kampf soll in Freude geschehen und vor allem dem einen Zweck dienen, unser Herz in die Liebe und die Freude Gottes einfuehren. Denn die Liebe und die Freude Gottes verbannen aus uns jegliche Bitterkeit, jeglichen Groll, jeglichen Protest und jegliche Beschwerde ueber unsere Mitmenschen. Vielmehr durchdringt und umgibt uns durch sie der unerschuetterliche und unuebertreffliche Friede Gottes.
Moegen wir alle in geistlichen Kaempfen
die Rennbahn der vierzigtaegigen Fasten durchlaufen, damit wir die
Freude der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus in Fuelle
empfangen.
Seine Gnade und Sein reiches Erbarmen seien mit Euch allen !
Heilige Grosse Fastenzeit 2007
Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel
Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott
Hirtenbrief
zum Beginn der heiligen großen
vierzigtägigen österlichen Fastenzeit
* Quellenhinweis *
† Bartholomaios
durch
Gottes Erbarmen
Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom, und Ökumenischer
Patriarch
dem ganzen Volk der Kirche Gnade und Friede von Christus, unserem
Erlöser,
von uns aber Fürsprache, Segen und Vergebung
In Christus geliebte Brüder und Schwestern!
Zu Beginn des Triodions hören wir ein ergreifendes Troparion, in dem es heißt: „Öffne mir, Lebensspender, das Tor zur Umkehr!“ Es fällt auf, dass die heilige orthodoxe Kirche uns für unsere Buße einen langen Zeitraum zur Verfügung gestellt hat. Aber sie erinnert uns auch täglich und stündlich daran, dass wir der Buße bedürftig sind. Sie weiß, dass die Buße die Grundlegung des geistlichen Lebens und der Rettung jedes Menschen ist. Das bezeugt auch die Tatsache, dass sowohl der heilige Johannes der Täufer als auch unser Herr Jesus Christus ihre Verkündigung damit begannen, dass sie das Volk ermahnten, Buße zu tun.
Wie schon der Wortlaut des griechischen Wortes „meta-noia“ verrät, handelt es sich bei der Buße um einen Sinneswandel, um einen Wandel unserer geistlichen Einstellung zur Welt und zu Gott. Gewiss bedeutet Buße auch die Absage an unsere Sünden und die Entscheidung, in Zukunft in Übereinstimmung mit den heiligen Geboten Gottes zu leben. Aber in erster Linie bedeutet sie eine Erneuerung und einen Wandel unseres Denkens, unserer Wertschätzung der materiellen und der geistlichen Welt, eine dem Willen Gottes entsprechende Neuordnung jener Werte, nach denen wir unser Leben ausrichten.
Wenn wir bis jetzt der Anhäufung von Reichtum den Vorrang gaben, so sollten wir uns von jetzt an darauf verlegen, die materiellen Güter gerecht und zum Nutzen aller zu verwenden. Wenn wir bis jetzt auf die Befriedigung unserer individuellen Bedürfnisse geachtet haben, so sollen wir von jetzt an auch die Bedürfnisse der anderen im Auge haben. Dabei sollten wir mit unserer Familie beginnen. Aber wir sollten auch die größere Familie der Gesellschaft, in der wir leben, nicht vergessen. Und wenn es möglich ist, auch nicht die ganze Menschheit.
Wenn bisher die Frage „Wie können wir das irdische Leben erfolgreich bestehen?“ im Mittelpunkt unserer Interessen stand, so muss sich von jetzt an unser Interesse auch auf das Leben nach dem Tod erstrecken. Wenn unsere Überlegungen und Interessen bis jetzt den menschlichen Wissenschaften und Fertigkeiten galten, so sollten wir uns in Zukunft auch für die heilige Wissenschaft und die Kunst des geistlichen Lebens interessieren, denn auch diese hat ihre Gesetze und bedarf einer entsprechenden Übung und Zurüstung. Wenn wir bis jetzt danach trachteten, gute Beziehungen mit den Mächtigen dieser Welt zu haben, so sollten wir in Zukunft darauf achten, freundschaftlichen Umgang auch mit den Mächtigen der geistlichen Welt, mit unserem Herrn Jesus Christus, der Gottesgebärerin und den Heiligen zu pflegen. Wenn wir bislang unser eigenes Urteil und unsere eigene Auffassung dem Urteil anderer vorgezogen haben, so sollten wir in Zukunft anerkennen, dass die Auffassung anderer oft richtiger als unsere eigene ist. Überhaupt wird unsere Buße dann zum Erfolg führen, wenn wir unsere Auffassungen und unsere Wertschätzung der Dinge einer täglichen Revision unterziehen und sie so lange korrigieren, bis sie mit den Positionen unserer heiligen Kirche, die mit den Positionen des Evangeliums identisch sind, mit den heilsamen und wahren Lehren unseres Herrn Jesus Christus, übereinstimmen. Zu all dem muss auch das aufrichtige und demütige Bekenntnis unserer Sünden vor dem Priester kommen, dem von Gott die Macht verliehen wurde, die Sünden zu behalten oder zu vergeben. Es gibt keine Buße ohne das reine Bekenntnis unter dem menschenliebenden Epitrachilion des Beichtvaters. Im Sakrament der Buße wird der Christ durch die Gnade des Heiligen Geistes nicht nur von jeder Befleckung gereinigt, sondern auch von den Wunden seiner Leidenschaften geheilt und geistlich neu geboren und empfängt die Kraft, seinen guten Kampf fortzusetzen. Und weil die Vollkommenheit der göttlichen Lehren, nach denen sich unser Geist und unser Herz richten sollen, unermesslich ist, darf notwendigerweise auch die Buße keine Unterbrechung erfahren, wie die heiligen Väter der orthodoxen Kirche uns lehren. Das gilt selbst für die, die nach menschlichem Ermessen vollkommen sind, sofern es solche Menschen überhaupt gibt.
Im Herrn geliebte Brüder und Schwestern, lasst uns nicht sagen, wir hätten keine Sünden und bedürften der Buße nicht, denn dann liefen wir Gefahr, dem verwerflichen Hochmut des Pharisäers zu verfallen. Wir alle bedürfen der Umkehr, weil wir alle, wie vollkommen wir auch sein mögen, einer umfassenderen Kenntnis des göttlichen Willens, des Wachstums an Liebe, an Verzeihen, an mit Erkenntnis gepaartem Eifer und an Interesse für das geistliche Leben ermangeln.
Es gewähre uns der Heilige Gott auf die Fürbitten der heiligen Gottesgebärerin und aller Seiner Heiligen, dass wir die heilige Fastenzeit körperlich gesund und mit zur Umkehr bereiter Seele bestehen und gereinigt und erneuert zum heiligen Osterfest gelangen, um auch in diesem Jahr der Freude der Auferstehung teilhaft zu werden und auf ewig unverbrüchlich dem ewigen Leben der Auferstehung verbunden zu bleiben. Amen.
Heilige große Fastenzeit 2004
Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel
Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott
Fastenbrief
der
orthodoxen Bischöfe in Deutschland
zum
Sonntag der Orthodoxie 2004
Liebe Schwestern und Brüder in
Christus !
"Begonnen hat der Kämpfe Zeit"
singen wir zu Beginn der Grossen Fastenzeit, die mit dem Fest unserer
Identität, dem Sonntag der Orthodoxie, eingeleitet wird.
Es ist die Zeit der Einkehr, der Buße, der Selbstbesinnung
und der Loslösung aus den Zwängen des Alltags; der
Hinwendung zum menschgewordenen Sohn Gottes, der sich selbst hingegeben
hat, um Seine Schöpfung zu retten. "Denn Gott hat die Welt so
sehr geliebt, dass Er Seinen einziggeborenen Sohn hingab, damit jeder,
der an Ihn glaubt, nicht verloren wird, sondern das ewige Leben hat"
(Joh 3:16)
In dieser Meditation der Besinnlichkeit rückt das Jahr 2004
zwei Gedenktage in den Mittelpunkt der Erinnerung, die im Hinblick auf
den ökumenischen Dialog und die geistige Orientierung der
Europäischen Union nachdenkenswert sind. Zum einen
jährt sich zum 950. Mal das Datum der traurigen Ereignisse von
1054, die zum Bruch der kirchlichen Gemeinschaft zwischen der
katholischen und der orthodoxen Kirche geführt haben, und zum
anderen verweist die runde Zahl von 800 Jahren auf die Eroberung und
Plünderung Konstantinopels durch das Heer des vierten
Kreuzzuges im Jahr 1204, der nicht nur das Verhältnis zwischen
den Kirchen belastete, sondern auch die Gemeinschaft zwischen Ost- und
Westeuropa empfindlich traf
Im Rahmen der ökumenischen und gesellschaftlichen-politischen
Perspektive Europas gewinnt das Gedenken beider Ereignisse eine
ausserordentliche Aktualität, denn sie mahnen die Kirchen und
die Staaten Europas, nicht der Versuchung zu unterliegen, das Eigene zu
verabsolutieren und die Macht zur Autorität einer allgemeinen
Rechtsordnung zu erklären, die in der menschlichen Vernunft
ihre Verankerung hat.
Als Bischöfe auf dem europäischen Kontinent, dessen
Antlitz der christliche Glaube wesentlich geprägt hat,
müssen wir mit grosser Sorge feststellen, dass der
Verfassungsentwurf der Europäischen Union der Geschichte und
kulturellen Identität Europas nicht gerecht wird, indem er
einen Humanismus propagiert, dessen Quellen er ausblendet. Im Geist
einer religiösen Neutralität bzw. Laizität
des Staates verkennt der Verfassungskonvent, dass Europa, zu dessen
geistiger Identität das Christentum wesentlich
gehört, ohne die christliche Komponente nicht Europa bleiben
kann. Auf der Basis einer gottlosen Interessensgemeinschaft hat Europa
keine Zukunft.
Die genannten Gedenkdaten rufen uns auf, in einer selbstkritischen
Reflexion die Wunden der Vergangenheit zu heilen, die kirchlichen,
kulturellen und politischen Verwerfungen zu überwinden, um ein
geistiges Fundament zu sichern, dass der Aufbau der Gemeinschaft der
Völker Europas zu einer Körperschaft wächst,
die Krisen und menschlichen Unzulänglichkeiten widerstehen
kann.
Lassen Sie uns als Kirchen in unserem Umgang miteinander mit gutem
Beispiel vorangehen, damit auch die Welt an unsere christliche
Versöhnungsbotschaft glaubt. Denken wir an das
Glaubwürdigkeitsprinzip, dass unser Herr in Seinem
Abschiedsgebet formuliert hat:
"Alle sollen eins sein: Wie Du, Vater in Mir bist und Ich in Dir bin,
sollen auch sie in Uns sein, damit die Welt glaubt, dass Du Mich
gesandt hast" (Joh 17:21).
Amen.
+ Metropolit
AUGOUSTINOS von Deutschland
Griechisch-Orthodoxe
Metropolie von Deutschland
+ Metropolit
GABRIEL von West- und Mitteleuropa
Metropolie
der Griechisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien für West- und
Mitteleuropa
+ Metropolit
SIMEON von West- und Mitteleuropa
Bulgarische
Diözese von West- und Mitteleuropa
+ Erzbischof
LONGIN von Klin
Ständige
Vertretung der Russischen Orthodoxen Kirche in Deutschland
+ Erzbischof
FEOFAN von Berlin und Deutschland
Berliner
Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer
Patriarchats
+ Bischof
KONSTANTIN für Mitteleuropa
Serbische
Orthodoxe Diözese für Mitteleuropa
+ Metropolit
Dr. SERAFIM von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa
Rumänische
Orthodoxe Metropolie für Deutschland, Zentral- und Nordeuropa
+ Erzbischof
IOAN von Parnassos
Ukrainische
Orthodoxe Eparchie von Westeuropa
+ Metropolit
ABRAHAM von Westeuropa
Westeuropäische
Diözese der Georgischen Orthodoxen Kirche
+ Erzbischof
GABRIEL von Komana
Exarchat
der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa
Berlin, 29. Februar 2004 - Am Sonntag der Orthodoxie
Da wir nun wieder die Arena der Großen Fastenzeit betreten, ist es nur natürlich sich an die großen Leistungen zu erinnern, die die Askese der orthodoxen Christen immer gekennzeichnet haben. Unter diesen großen Leistungen liegen Beten und Fasten an vorderster Stelle. Wenn ein Orthodoxer vom Fasten spricht, denkt er spontan auch an das Beten. Und wenn er vom Beten spricht, denkt er genau so spontan an das Fasten. Denn diese beiden Arten des Gesprächs mit Gott sind eng verbunden. Deshalb hat Christus auch, als Seine Jünger vergeblich versuchten einen unglücklichen Jungen vom bösen Geist, der ihn quälte, zu befreien, dieses zweifache Mittel des Gebets und des Fastens als mächtigste Waffe des Menschen gegen das Böse empfohlen: „Diese Art kann nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden“ (Mk 9,29).
Da heutzutage alles und jedes analysiert und „entmythologisiert“ werden muss und damit in den meisten Fällen zerstört wird, gibt es sogar unter den getauften Orthodoxen unserer Zeit Leute, die nicht einsehen, welche Rechtfertigung Beten und Fasten für den modernen „aufgeklärten“ und „befreiten“ Menschen haben sollte. Und so fragen sie sich, welche Bedeutung es haben könnte, wenn man mit Gott in der Form eines Gebetes spricht, Ihm das eine oder andere Problem oder die eine oder andere Bitte vorlegt, wo doch Gott als Allwissender sowieso all dies kennt. Aus dem gleichen Grunde fragen sich diese Gläubigen, ob es denn für Gott einen Unterschied mache, ob man diese oder jene Nahrung in dieser oder jener Menge an diesem oder jenem Tag zu sich nimmt oder nicht.
Sicher erscheinen diese Einwände auf den ersten Blick überzeugend und nur recht und billig. Wer aber Fasten und Beten in dieser Weise beurteilt hat ihre tiefere Bedeutung nicht erfasst. Natürlich liegt die Bedeutung des Gebets nicht darin, Gott etwas zu sagen, was Er nicht weiß, sondern Ihm freiwillig Demut zu zeigen, Ihm unser Herz zu öffnen, unser Leben in Seine Hände zu legen, die Wärme des Gesprächs mit Ihm zu fühlen, Ihm kund zu tun, dass wir Ihn als Herrn über unser Leben und unseren Tod anerkennen. Genauso hat das Fasten sicher keinen besonderen moralischen oder spirituellen Sinn in sich selbst – nicht einmal als Diät – , denn Gott nimmt nicht unser physisches Wohlbefinden als Maß. Genau aus diesem Grunde hat der heilige Apostel Paulus, der von so wenig lebte und so viel erlitt, nicht aufgehört zu bekennen, dass „Wenn wir nicht essen, verlieren wir nichts, und wenn wir essen, gewinnen wir nichts“ (1Kor 8,8).
Fasten erhält also seine moralische und geistige Bedeutung von dem Augenblick an, da es Mittel und Möglichkeit wird zum leichteren Gespräch mit Gott. Und tatsächlich kämpft der Mensch mit Fasten darum, seine unvernünftigen biologischen Begierden und Instinkte zu beherrschen, befreit zu werden, den Versuchungen dieser Welt zu entsagen und so offener und empfänglicher zu werden für seine Verbindung mit dem Geistigen.
Aus dem oben Gesagten wird also offensichtlich, dass weder Fasten noch Beten Selbstzweck sind noch sein sollten. Sie sind vielmehr Mittel des Gesprächs mit Gott und dieses Gespräch ist Ziel und Erfüllung. Es gibt ein sehr schönes arabisches Sprichwort, das lautet. „Die Seele braucht weder einen Kaffee noch ein Café. Die Seele braucht Gemeinschaft und der Kaffee ist nur ein Vorwand.“
Wir könnten also sagen, dass Fasten und Beten zwei geheiligte „Vorwände“ sind, die den Menschen befähigen den Monolog mit sich selbst und den selbstzufriedene Kern in seinem Ego aufzubrechen, demütig zu werden und mit Gott zu sprechen um den Segen, die Erleuchtung und die Heiligung zu erfahren, die das Gespräch garantiert. Denn die Worte der Schrift werden mit Sicherheit immer ewige Wahrheit sein: „Gott tritt den Stolzen entgegen, den Demütigen aber schenkt er seine Gnade“ (Jak 4,6).
The Orthodox Messenger, March/April 1998; Übers. G. Wolf
hier aus St. Andreas Bote
» ... sondern nur durch Beten und Fasten«
von
Erzpriester Prof. Alexander Schmemann (+ 1983)
*Quellenhinweis*
Es
gibt keine Fastenzeit ohne
Fasten.
Indessen nehmen heutzutage viele das Fasten scheinbar nicht mehr ernst
oder, wenn sie es ernst nehmen, dann verkennen sie seine wahre
spirituelle Zielsetzung.
Für einige besteht das Fasten im symbolischen
»Verzicht« auf bestimmte Dinge; für andere
bedeutet es die peinlich genaue Beachtung von
Ernährungsregeln.
In beiden Fällen jedoch wird das Fasten selten in Beziehung
gesetzt zu den Mühen der Fastenzeit in ihrer Gesamtheit. Hier
wie woanders auch, müssen wir zunächst versuchen, die
Lehren der Kirche in bezug auf das Fasten zu verstehen und uns
anschließend fragen:
Wie lassen sich diese Unterweisungen in unserem Leben umsetzen?
Das
Fasten oder der Verzicht auf
Nahrung ist nicht eine rein christliche Praxis.
Das gab und gibt es auch in anderen Religionen, ja sogar
außerhalb der Religion, wie z. B. bei bestimmten besonderen
Heilverfahren. In unseren Tagen fastet man oder übt Abstinenz
aus allen möglichen Gründen, politische mit
inbegriffen. Es ist deshalb wichtig, den spezifisch christlichen Gehalt
des Fastens darzulegen.
Er wird uns zunächst erhellt in der gegenseitigen
Abhängigkeit zweier Ereignisse, die wir in der Bibel finden:
das eine zu Beginn des Alten Testamentes,
das andere zu Beginn des Neuen Testamentes.
Das erste Ereignis ist das »Brechen des Fastens«
durch Adam im Paradies. Er aß von der verbotenen Frucht.
Auf diese Weise wird uns die Erbsünde des Menschen
enthüllt.
Christus, der Neue Adam - und dies ist das zweite Ereignis - beginnt
mit Fasten.
Adam wurde versucht und erlag der Versuchung;
Christus wurde versucht und bestand die Versuchung.
Die Folge der Schwäche Adams waren die Vertreibung aus dem
Paradies und der Tod.
Die Frucht des Sieges Christi waren die Überwindung des Todes
und unsere Rückkehr ins Paradies.
Der Platz reicht nicht aus, um hier in Einzelheiten den Sinn dieser
Parallelität zu erörtern; aber, es ist indessen klar,
dass uns unter diesem Blickwinkel das Fasten als eine entscheidende
Angelegenheit von äußerster Bedeutung erscheinen
muss.
Es ist nicht einfach eine »Verpflichtung«, ein
Brauch; es ist gebunden an das Mysterium selbst des Lebens und des
Todes, des Heiles und der Verdammnis.
Die Orthodoxie lehrt, dass die Sünde nicht nur die Übertretung einer Vorschrift ist, die eine Züchtigung nach sich zieht; sie ist immer eine Verstümmelung des Lebens, das Gott uns gegeben hat. Aus diesem Grunde wird uns die Geschichte der Erbsünde im Akt des Essens dargestellt. Denn die Nahrung ist das Mittel zum Leben, sie ist es, die uns am Leben hält. Aber das ist die entscheidende Frage: Was heißt das, leben und was bedeutet »das Leben«?
In
unseren Tagen hat der Begriff
vor allem einen biologischen Sinn bekommen: das Leben ist genau
genommen das, was von der Nahrung und in einem allgemeinen Sinne, von
der stofflichen Welt abhängig ist.
Aber für die Heilige Schrift und die Christliche Tradition ist
leben »nur vom Brot allein« nichts anderes als
sterben, weil es ein dem Tode ausgeliefertes Leben ist, in dem der Tod
immer wirksam ist. Gott hat, so sagt man, den »Tod nicht
geschaffen«; Gott ist der Spender des Lebens. Wieso konnte
dann das Leben sterblich werden? Warum ist von allem, was existiert,
der Tod die einzige absolute Bedingtheit?
Die
Kirche antwortet: Weil der
Mensch das Leben so, wie Gott es ihm anbot und ihm gab,
zurückgewiesen hat und ein Leben vorgezogen hat, das nicht
einzig von Gott abhing, sondern »vom Brot allein«.
Er hat nicht nur Gott den Gehorsam verweigert, wofür er
bestraft wurde. Er wandelte die Beziehung zwischen sich und der Welt
von Grund auf um. Um es genau zu sagen: Die Schöpfung wurde
ihm von Gott als »Nahrung«, als Mittel zum Leben
gegeben. Aber dieses Leben sollte Verbindung mit Gott sein; es hatte in
ihm nicht nur sein Ziel, sondern auch seine Fülle.
»In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der
Menschen«.
Die Welt und die Nahrung wurden also geschaffen als Mittel der
Verbindung mit Gott, und nur wenn sie um Gottes Willen aufgenommen
wurden, konnten sie Leben geben.
In sich selbst trägt die Nahrung kein Leben.
Einzig Gott allein hat das Leben und ist das Leben.
In der Nahrung ist Gott selbst der Grund des Lebens - und nicht die
Kalorien. Also, essen, leben, Gott kennen und in Verbindung mit Ihm
stehen waren ein und dieselbe Sache.
Die unergründliche Tragödie Adams ist, dass er
für sich selbst aß. Mehr noch, er aß
»getrennt« von Gott, um von ihm unabhängig
zu sein. Und er tat es, da er glaubte, dass die Nahrung das Leben in
sich selbst hätte und dass er, indem er aß, sein
könnte wie Gott, d. h. das Leben in sich selbst haben
könnte. Um es einfach auszudrücken; er
setzte sein Vertrauen auf die Nahrung, wohingegen das
einzige Objekt des Glaubens, des Vertrauens, der Abhängigkeit
Gott ist und nur Gott.
Die Welt, die Nahrung wurden sein Gott, die Quelle und die
Grundlage seines Lebens.
Und er wurde deren Sklave.
Adam bedeutet im Hebräischen
»Mensch«. Das ist mein Name, unser aller Name.
Der Mensch ist noch Adam, der Sklave der
»Nahrung«. Er kann vorgeben, an Gott zu glauben,
aber Gott ist nicht sein Leben, seine Nahrung, derjenige, der seine
ganze Existenz umfängt. Er kann vorgeben, dass er sein Leben
von Gott empfängt, aber er lebt nicht in Gott und für
Gott. Sein Wissen, seine Erfahrung, sein Selbstbewusstsein beruhen alle
auf derselben Grundlage: »nur vom Brot allein«.
Wir essen, um zu leben, aber wir leben nicht in Gott.
Das ist die Sünde aller Sünden.
Das ist der Urteilsspruch des unserem Leben anhaftenden Todes.
Christus
ist der Neue Adam.
Er kommt, um den Schaden, der dem Leben durch Adam zugefügt
wurde, wieder zu beheben, um dem Menschen das wahre Leben wieder zu
schenken, und so beginnt er mit Fasten.
»Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet
hatte, war er hungrig« (Mt 4,2).
Der Hunger ist der Zustand, in dem wir gewahr werden, dass wir von
einer anderen Sache abhängig sind, wenn wir das dringende und
zwingende Verlangen nach Nahrung verspüren. Das zeigt uns,
dass wir kein Leben in uns haben. Der Hunger ist jene Grenze, jenseits
der ich entweder an Entkräftung sterbe oder, nachdem ich
meinem Körper Genüge getan habe, ich erneut den
Eindruck habe zu leben. Mit anderen Worten: Es ist der Moment, wo sich
die grundlegende Frage stellt: Wovon hängt mein Leben ab? Und
da es sich nicht um eine rein theoretische Frage handelt, da ich sie ja
mit meinem ganzen Körper empfinde, ist das auch die Zeit der
Versuchung. Satan suchte Adam im Paradiese auf und er suchte Christus
in der Wüste auf. Er kam zu zwei hungrigen Menschen und sprach
zu ihnen: »Esst! Denn euer Hunger ist der Beweis
dafür, dass ihr ganz von der Nahrung abhängt, dass
euer Leben in der Nahrung ist.« Und Adam glaubte es und
aß; Christus aber wies diese Versuchung zurück und
sprach: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von
Gott.«
Er weigerte sich, die kosmische Lüge anzunehmen, die der Satan
in diese Welt trägt.
Sie ist zum Fundament unserer Sicht von der Welt, der Wissenschaft, der
Medizin und vielleicht sogar der Religion geworden.
Hingegen hat Christus das Band zwischen der Nahrung, dem Leben und Gott
wieder hergestellt, das Adam zerrissen hatte und das wir selbst noch
jeden Tag auf´s neue zerreißen.
Was
bedeutet das Fasten
für uns Christen?
Es ist -unser Eintritt in- und -unsere Teilnahme an- dieser Erfahrung
Christi selbst, durch die er uns von unserer völligen
Abhängigkeit bzgl. der Nahrung, der Materie und der Welt
befreit.
Allerdings ist unsere Befreiung nicht vollständig; denn, da
wir noch in dieser gefallenen Welt, der Welt des Alten Adam, leben und
zu ihr gehören, sind wir weiterhin von der Nahrung
abhängig.
Aber ganz so wie unser Tod, durch den wir noch gehen müssen,
kraft des Todes Christi zu einem Durchgang zum Leben geworden ist, so
kann das durch die Nahrung, die wir aufnehmen, erhaltene Leben zu einem
Leben in Gott und für Gott werden. Ein Teil unserer Nahrung
ist bereits »Nahrung der Unsterblichkeit« geworden:
der Leib und das Blut Christi selbst.
Aber selbst das tägliche Brot, das wir von Gott empfangen,
kann in diesem Leben und in dieser Welt eher etwas sein, das uns
stärkt und unsere Verbindung mit Gott festigt, als dass es uns
von ihm trennen würde.
Indessen, einzig das Fasten kann diese Umgestaltung bewirken und uns
den existentiellen Beweis liefern, dass unsere Abhängigkeit
von der Nahrung und von der Materie weder eine allumfassende noch eine
absolute ist, und dass sie sogar in Verbindung mit dem Gebet, der Gnade
und der Anbetung, vergeistigt werden kann.
Dieses
alles bedeutet, dass das
Fasten, in seiner ganzen Tiefe verstanden, das einzige Mittel
für den Menschen darstellt, seine wahre geistige Natur wieder
herzustellen.
Es handelt sich um ein nicht theoretisches, sondern wahrlich konkretes
Aufbegehren gegen den Lügner, dem es gelungen war, uns davon
zu überzeugen, dass wir nur des Brotes bedürften, und
der auf diese Lüge jede menschliche Kenntnis, jede menschliche
Wissenschaft und jede menschliche Existenz gegründet hat.
Das Fasten entlarvt diese Lüge und weist sie als solche nach.
Es ist sehr bezeichnend, dass Christus anlässlich seines
Fastens auf Satan traf und dass er später davon sprach, dass
Satan nicht anders besiegt werden könnte »als
durch Fasten und Beten«.
Das Fasten ist der eigentliche Kampf gegen den Teufel, weil
es den Widerstand gegen das einzigartige und allumfassende Gesetz
darstellt, das ihn zum »Fürsten dieser
Welt« macht.
Wenn nun aber jemand Hunger hat und gleichzeitig entdeckt, dass er von
diesem Hunger in Wahrheit unabhängig sein kann, nicht durch
ihn vernichtet wird, sondern ihn ganz im Gegenteil in eine Quelle
geistiger Energie und eines Sieges umgestalten kann, dann hat nichts
mehr Bestand von dieser großen Lüge, in der wir seit
Adam gelebt haben.
Wie
weit haben wir uns nunmehr
von der gängigen Auffassung gelöst, das Fasten sei
eine bloße Änderung der Ernährungsweise,
eine Vorschrift, was verboten und was erlaubt sei. Das ist alles
vordergründige Heuchelei! Schließlich bedeutet
Fasten nur eins: Hunger haben, bis an die Grenze
der menschlichen Verfassung gehen, die ganz und gar von der Nahrung
abhängt, und in diesem Zustand des Hungers zu entdecken, dass
diese Abhängigkeit nicht die ganze Wahrheit bezüglich
des Menschen ist, dass der Hunger selbst vor allem ein geistiger
Zustand ist und dass er letztendlich in Wirklichkeit ein Hunger
nach Gott ist.
In der Urkirche bedeutete das Fasten immer eine totale Enthaltsamkeit,
ein Zustand des Hungerns, der den Körper an eine
äußerste Grenze treibt.
Hierin erkennen wir jedoch auch, dass das Fasten, als reine
körperliche Anstrengung betrachtet, ohne Sinn bleibt, wenn es
nicht von seinem geistigen Gegenstück
»...durch Fasten und Beten« begleitet
wird.
Das bedeutet, dass, wenn wir keine entsprechende geistige Anstrengung
unternehmen, wenn wir uns nicht von der Göttlichen
Wirklichkeit nähren, wenn wir nicht entdecken, dass wir
völlig von Gott und nur von Gott abhängen, unser
körperliches Fasten Selbsttötung bedeuten
würde.
Wenn Christus selbst versucht wurde, als er gefastet hatte, haben wir
nicht die geringste Möglichkeit, dieser Versuchung zu
entgehen.
Das körperliche Fasten, so wesentlich es auch sein mag, ist
nicht nur ohne Sinn, sondern es ist in Wahrheit gefährlich,
wenn es von dem geistigen Bemühen, von dem Gebet und der
Konzentration auf Gott abgetrennt bleibt.
Das Fasten ist eine Kunst, die einzig die Heiligen beherrschen. Es
würde für uns anmaßend und
gefährlich sein, wollten wir diese Kunst ohne
Beurteilungsvermögen und Besonnenheit ausüben.
Jede Liturgie der Fastenzeit ist ein ständiges
In-Erinnerung-Rufen der Schwierigkeiten, der Hindernisse und
Versuchungen, die diejenigen erwarten, die meinen, sich auf ihren
Willen verlassen zu können und sich nicht auf Gott verlassen
zu müssen.
Dies
ist der Grund, warum wir vor
allem eine geistige Vorbereitung auf die Anstrengung des Fastens
nötig haben. Sie besteht darin, Hilfe von Gott zu erbitten und
unser Fasten auf Gott auszurichten.
Aus Liebe zu Gott sollen wir fasten.
Wir müssen unseren Körper als Tempel der
göttlichen Gegenwart wiederentdecken, eine religiöse
Achtung des Körpers, der Nahrung, ja sogar des Lebensablaufs
wiederfinden. All dieses sollte geschehen sein, bevor wir mit dem
eigentlichen Fasten beginnen; und zwar in der Weise, dass wir, wenn wir
es beginnen, mit geistigen Waffen, mit einer Zielvorstellung, mit
Kampfgeist und mit Siegeszuversicht gewappnet sind.
Dann
kommt die Zeit des Fastens
selbst. Nach dem, was wir weiter oben gesagt haben, sollte es auf zwei
Ebenen durchgeführt werden:
der des asketischen Fastens
und der
des totalen Fastens.
Das asketische Fasten besteht in einer
energischen Verminderung der Nahrung in der Art, dass ein dauernder
Zustand eines gewissen Hungergefühls erfahren wird als
Erinnerung an Gott und als ständige Aufforderung, unseren
Geist auf Ihn orientiert zu halten. Wer es auch praktiziert, und sei es
nur ein wenig, weiß, dass dieses asketische Fasten uns bei
weitem nicht schwächt, sondern uns im Gegenteil unbeschwert,
gesammelt, maßvoll, froh und geläutert werden
lässt. Dann nimmt man die Nahrung als ein wahres Geschenk
Gottes entgegen; man ist innerlich ständig auf diese Welt
ausgerichtet, die auf unerklärliche Weise von selbst zu einer
Art Nahrung wird. Was die Menge, die Häufigkeit und die
Qualität der aufzunehmenden Nahrung bei diesem asketischen
Fasten angeht, können wir an dieser Stelle nicht weiter
ausführen. Das alles hängt von unseren
persönlichen Fähigkeiten und den
äußeren Lebensbedingungen eines jeden einzelnen ab.
Aber das Prinzip ist klar: es ist ein Zustand, in dem man ein leichtes
Hungergefühl verspürt, dessen
»negative« Natur immer in eine »positive«
Kraft durch Gebet, Sich-Erinnern, Aufmerksamkeit und
Konzentration umgewandelt wird.
Was das strenge Fasten anbetrifft; dieses ist
notwendigerweise in seiner Länge begrenzt und an die
Eucharistie gebunden. Bei den Bedingungen unseres augenblicklichen
Lebens ist es das beste, es an dem Tage einzuhalten, an dem abends die
Präsanktifikaten-Liturgie gefeiert wird Sei es, dass wir an
dem Tage von frühmorgens an, sei es, dass wir ab mittags
fasten, wesentlich ist es, ihn als einen Tag der Erwartung, der
Hoffnung, des Hungers nach Gott selbst zu verbringen. Es handelt sich
um eine Konzentration im Geistigen auf das, was kommen wird, auf die
Gabe, die man empfangen wird und für die man alle anderen
Gaben zu opfern bereit ist.
Obgleich
bereits
erwähnt, muss man sich nochmals in Erinnerung rufen, dass
unser Fasten, so begrenzt es auch sein mag, in die Versuchung, in die
Schwäche, zu Zweifeln und zur Verwirrung führen wird,
wenn es ein wirkliches Fasten ist. Mit anderen Worten, es wird ein
wirklicher Kampf werden, in dem wir wahrscheinlich einige Male
unterliegen werden.
Aber der wesentliche Gesichtspunkt des Fastens ist
gerade die Entdeckung des christlichen Lebens als Kampf und als ein
Sich-Mühen. Ein Glaube, der sich nicht über die
Zweifel und die Versuchung hinwegsetzt, ist selten wirklicher Glaube.
Leider ist in dem christlichen Leben kein Fortschritt ohne die bittere
Erfahrung der Niederlage möglich.
Zu
viele Leute beginnen mit
Begeisterung zu fasten, um dann bei dem ersten Schwachwerden
aufzugeben. Ich würde sagen, die wahre
Prüfung fällt genau mit diesem ersten Fall zusammen:
wenn wir uns, nachdem wir schwach geworden waren und unseren Begierden
und Leidenschaften freien Lauf gelassen hatten, wieder mutig an die
Aufgabe machen, ohne aufzugeben, egal, wie häufig wir schwach
werden, dann wird früher oder später unser Fasten
geistige Früchte tragen, gleichgültig, wie
häufig wir vorher schwach geworden sind.
Zwischen der Heiligkeit und einem entzauberten Zynismus ist Platz
für die große und göttliche Tugend der Geduld
- der Geduld vor allem mit sich selbst. Es gibt keine
Abkürzung, um zur Heiligkeit zu gelangen; für jeden
Schritt vorwärts muss man den vollen Preis entrichten. Es ist
deshalb besser und sicherer, mit einem Minimum, das gerade ein wenig
über unseren natürlichen Möglichkeiten
liegt, zu beginnen und unsere Anstrengung schrittweise zu
vergrößern als zu versuchen, zu Beginn sehr hoch zu
springen und sich beim Sturz zur Erde die Knochen zu brechen.
Fassen wir zusammen: Wir müssen von einem symbolischen und rein formalen Fasten, das als Verpflichtung und Gewohnheit verstanden wird, zu dem wahren Fasten zurückfinden, wenn es auch bescheiden und begrenzt ist, wenn es nur ernsthaft und wirklich gewollt ist. Schätzen wir ehrlich unsere physischen und geistigen Fähigkeiten ein, handeln wir konsequent und erinnern wir uns jedes Mal daran, dass es kein Fasten gibt, das nicht an die Grenzen dieser Fähigkeiten stößt und das nicht den göttlichen Beweis in unserem Leben erbringt, dass Dinge, die dem Menschen unmöglich sind, für Gott sehr wohl möglich sind.
Schmemann, Alexander (Erzpriester und langjähriger
Dekan der Orthodoxen Theologischen Akademie der USA St.
VLADIMIR´s)
"Die Große Fastenzeit - Askese und Liturgie in der Orthodoxen
Kirche"
Veröffentlichungen des Instituts für Orthodoxe
Theologie, Bd. 2, München 1994
Das unbegrenzte Wort des Vaters nahm die Grenzen der Gestalt an durch die Fleischwerdung in Dir, o Gottesgebaererin. In Dir wurde das befleckte Abbild in den urspruenglichen Zustand verwandelt und erfuellt mit der goettlichen Schoenheit des Urbilds. Wir aber, indem wir das Heil erkennen, stellen dies dar in Werk und Wort. |
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Predigt von Metropolit ANTHONY (Bloom) von
SUROSH (London)
=Sunday
of Orthodoxy=
Histor.Entwicklungen
und Ikonentheologie des Hl. JOHANNES von Damaskus
Die moralische Autoritaet von Kirche und Moenchen fuerchtend versuchten
die ostroemischen Kaiser im 8.Jhdt. das Christentum zu einer abstrakten
Philosophie herabzusetzen.
Die Ikonen, die an die Menschwerdung des Gottessohns aus der
Gottesmutter und an die vielen Heiligen, die jetzt bei Gott leben und
mit uns heute auf Erden Lebenden in kirchlicher Gemeinschaft stehen,
erinnern an die wahre Heimat des Christen, das Himmelreich. Als
deutliche Mahnung gegen die Verabsolutierung des irdischen Reiches
wurden die Ikonen von der kaiserlichen Macht fanatisch bekaempft.
Unzaehlige Moenche, Laien und Geistliche erlitten durch ihr Festhalten
an den Ikonen das Martyrium.
787 definierte die Kirche die genaue Bedeutung der Ikonen und ihre
Verehrung. 843 setzte ein von Kaiserin Theodora einberufenes Konzil der
Verfolgung ein Ende und gab den Glaeubigen auch offiziell die Ikonen
wieder. Seither wird dieses Fest am ersten Sonntag der Grossen
voroesterlichen Fasten gefeiert.
Das heutige Fest kann nicht als gegen die anderen
christlichen Kirchen im Westen gerichtet verstanden werden.
Die Kirche im Westen und außerhalb des byzantinischen Reiches
hat in dieser Zeit an den Bildern festgehalten und war so gesehen
"orthodox" geblieben, waehrend der Bildersturm im Ostroemischen Reiche
wuetete. Der Westen musste keinen Bildersturm erleben - aber er kennt
deshalb auch keine theologische Begründungen, Richtlinien und
Grenzen für religiöse Darstellungsformen.
Predigt
von Metropolit ANTHONY (Bloom) von SUROSH
Was ein Kirchenfest den Menschen von heute sagen will
Wir feiern heute den Tag des Sieges der Orthodoxie. Von welchem Triumph
soll da die Rede sein ?
Wenn wir uns gegenwaertig umschauen und tief hinein in die uns so
vertraute und werte Orthodoxie blicken, wieviel Schlaffheit und
Bedruecktheit sehen wir dort, wie wenig von dem, was wie ein Triumph
aussieht.
Freilich triumphieren wir gar nicht so sehr ueber den sichtbaren Ruhm
der Orthodoxie. Ihren Sieg sehen wir vielmehr in zwei Bereichen.
Einmal darin, dass orthodoxe Menschen, ob nun ueber die Erde zerstreut
oder in Volksgemeinden dicht beieinander,
trotz Verfolgungen und unbeschreiblichen Schwierigkeiten ihren Glauben
klar und rein erhalten, andaechtig ihren Gottesdienst bewahrt haben und
den geistlichen Weg gegangen sind, der uns von Christus im Evangelium
und von den Kirchenvaetern im Laufe der Jahrhunderte unserer
Kirchengeschichte
vermittelt worden ist.
Darueber koennen wir uns wohl freuen ! Wir empfinden Bewunderung und
Ehrfurcht vor denen, die in den 2 Jahrtausenden im Glauben des reinen
Bekenntnisses gestanden und in einer dem Evangelium wahrhaft
entsprechenden Spiritualitaet gelebt haben. Sie konnten uns einen
kostbaren, tief verinnerlichten und erbauenden Gottesdienst
weitergeben.
Allerdings wissen wir, wie sehr auch ein Mensch glaeubig sei und seine
Kraefte anspannen mag, er wird dennoch leicht besiegt, wenn nicht der
Herr Selbst ihm Kraft verleiht, wenn nicht die Gnade Gottes fuer ihn
streitet. Letztlich ist der Sieg der Orthodoxie ueber den unser Herz
jubelt ob der kuenftigen Hoffnung, doch ein Sieg Gottes
in der menschlichen Schwachheit, ueber uns, in uns und mitten unter uns.
Der Sieg der Orthodoxie ist ein Tag, an dem wir uns freuen, weil Gott
Sich als unbesiegbar von der menschlichen Suende, von der Suende des
Geistes, von der Kaltherzigkeit und Unbestaendigkeit, von den
Willensschwankungen und von den Fleischessuenden erwiesen hat. Gott
blieb unbesiegbar in der Kirche Christi. Er blieb unbesiegbar auch in
einzelnen konkreten Persoenlichkeiten.
Das Fest der Orthodoxie indes wurde aufgrund eines besonderen Vorfalls
gestiftet.
Es reicht zurueck in die Zeit nach dem Siebenten Oekumenischen Konzil,
als die Orthodoxie endgueltig ueber den Bildersturm gesiegt hatte.
Worum handelt es sich dabei ? Darum, dass die Kirche das Recht und
unsere Pflicht verteidigt hat, den Ikonen Christi, der Gottesmutter und
der vielen Heiligen Verehrung zu erweisen. Damit hat sie die Wahrheit
der Inkarnation verteidigt; jene Wahrheit, dass Gott Sich Selbst
offenbart, Sich sichtbar dastellt, vielleicht nicht voellig, aber Er
zeigt Sich uns in den Bildern, die wir von Ihm geschaffen haben.
Solche Bilder sind nicht allein Ikonen. Es gibt auch Ikonen aus Worten.
Andreas von Kreta sieht sie etwa in den Dogmen der Kirche, in den
Lehrmeinungen der Vaeter, in der Unterweisung, die wir empfangen. Und
letzten Endes offenbart sich uns Gott bildlich in den Menschen: weil
naemlich ein jeder von uns in sich ein Abbild des lebendigen Gottes
traegt.
Die Liturgie des heiligen Basilius des Grossen spricht von Christus, Er
sei das Bild der Ebenbildlichkeit, das uns den Vater offenbart. Er ist
ein vollkommenes Bild. Er -IST- die Wahrheit. Er ist vollkommener Gott
wie auch vollkommener Mensch. Ja selbst in uns ist ein Abglanz dieses
Bildes geblieben.
Und wenn wir heute den Triumph der Orthodoxie begehen, dann wissen wir,
dass Gott sich uns in Christus durch die Inkarnation Seines Sohnes
leibhaftig offenbart. Es weitet Herz und Seele, wenn wir erkennen, dass
unsere geschoepfliche Welt so beschaffen ist, dass die Fuelle der
Gottheit unter uns koerperlich wohnen kann.
Dadurch laesst sich Gott bildhaft darstellen, was wir an den Ikonen
sehen, zumal an den lebendigen Gnadenbildern, den Menschen, sobald wir
ihre menschlichen Schwaechen beiseite schieben, die unseren
Gesichtskreis verdunkeln wollen. Mit sehenden Augen koennen wir
naemlich durch die menschliche Schwaeche hindurch das bleibende Bild
Gottes schauen und somit mitten unter den Menschen den lebendigen Gott
in ihnen verehren.
Nicht ohne Grund haben die Kirchenvaeter gelehrt:
Wer seinen Bruder sieht, der sieht Gott.
Mit Andacht lasst uns deshalb in einem ehrfuerchtigen Verhaeltnis
zueinander stehen, denn wir sind Erscheinung, Bild, Ikone. Lasst uns
andaechtig unseren Glauben an das Dogma der Verehrung heiliger Ikonen
bewahren, welches den Glauben unmittelbar bekundet, dass Gott Mensch
wurde.
Lasst uns frohlocken darueber, dass von Generation zu Generation Gott
in uns über unsere Schwachheit siegt, triumphiert und die
Schwachheit unterordnet. Wir wollen Gott ganz und gar hingegeben leben,
damit dieser Sieg vollkommen sei.
Er soll bis zum Ende den Sieg behalten, nicht nur in den verflossenen
Jahrhunderten, sondern gerade heute und auch in uns. Der Widerschein
Seiner Herrlichkeit moege aufgehen ueber der Welt, die in Schmerzen und
Heimsuchung liegt.
Amin.
FASTENBRIEF 2005
der orthodoxen Bischöfe Deutschlands
Liebe Väter, Brüder und Schwestern in Christus,
für
uns
orthodoxe Bischöfe, die wir Mitglieder der KOKiD sind, ist es
eine große Freude, Euch, unseren geistlichen Kindern,
an diesem Sonntag derOrthodoxie diesen Hirtenbrief zu senden, in dem
wir versuchen, eure Aufmerksamkeit auf einige bedeutende Aspekte
unseres orthodoxen Glaubens zu lenken.
Als
Orthodoxe
hören wir nicht auf, immer wieder zu erklären, dass
die Orthodoxie die Kirche Christi ist, die „eine heilige
katholische und apostolische“ Kirche, die sich mit Christus
identifiziert, insofern sie sein Leib ist und er ihr Haupt (Eph 1, 23).
Als Kirche der Apostel und der Väter bewahrt die Orthodoxie
treu den Glauben, den diese formuliert und weitergegeben und
für den im Laufe der Jahrhunderte unzählige Martyrer
ihr Leben hingegeben haben.
An
diesem
„Sonntag der Orthodoxie“ gedenken wir ganz
besonders unserer Brüder und Schwestern, die im Laufe des 8.
und zu Beginn des 9. Jahrhunderts unter Einsatz ihres Lebens
für die Verteidigung der heiligen Ikonen gekämpft
haben.
Das war jene Zeit, da die bilderstürmerischen Kaiser die
Ikonen zerstörten und der Kirche einen Gott ohne Angesicht,
einen fernen Gott,
einen in seiner Transzendenz verschlossenen Gott aufzwingen wollten,
was in der letzten Konsequenz eine Begegnung mit dem Menschen, seinem
in Wirklichkeit konkreten und oft unglücklichen Abbild,
unmöglich gemacht hätte.
Dies bedeutete, den Glauben selbst zu zerstören, denn im Herzen der christlichen Botschaft steht zu Recht die Inkarnation: Gott überwindet seine eigene Transzendenz und wird Mensch; in Christus, seinem geliebten Sohn, nimmt er menschliche Gestalt an, um von allen als ein naher Gott erkannt zu werden, als ein barmherziger Gott, der „jede Träne von jedem Gesicht abwischt“ (Paraklesis zur Gottesmutter).
Die
Ikone Christi
– und mit ihr verbunden die Ikone der Gottesmutter und jedes
Heiligen – bezeugt wahrhaft diese unendliche Liebe Gottes,
„der seinen Sohn hingegeben hat, damit ein jeder, der an ihn
glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe“
(Eucharistisches Hochgebet). Mehr als ein bloßes sichtbares
Zeichen, das an die Nähe Gottes erinnert, ist die Ikone auch
ein Ort der Gnade, eine Gegenwart im Mysterion.
Wenn wir sie mit Glauben im Gebet verehren, versetzt uns die Ikone in
die Gemeinschaft mit Gott oder mit den dargestellten Heiligen und
überträgt auf uns die göttlichen Energien,
mit denen sie gefüllt ist. Das ist der Grund, warum unsere
Kirchen voll sind von Ikonen und Fresken, die Christus, die
Gottesmutter, die Engel, die Heiligen und auch die biblischen
Geschehnisse und jene der heiligen Geschichte darstellen.
Immer wenn wir wieder in eine Kirche kommen, haben wir das Gefühl, auf mystische Weise von den Myriaden der Engel und Heiligen umgeben zu sein, die hier gegenwärtig sind, um mit uns zu beten und um uns zu unterstützen in unseren Bedürfnissen und unseren Leiden. Wirklich, die Kirche ist die „Gemeinschaft der Heiligen“, „Gott ist gelobt in seinen Heiligen“, wie es der Psalmist David sagt. Und wir, auch wir, sind zur Heiligkeit berufen. Mehr noch, von unserer Taufe an sind wir heilig. Zwar muss diese Heiligkeit der Taufe immer wieder durch eine persönliche Anstrengung aktualisiert werden,eine Anstrengung, die oft sehr schwer zu erreichen ist. Denn es ist nicht immer leicht zu beten, zu fasten, regelmäßig an der Göttlichen Liturgie teilzuhaben oder seine schlechten Gewohnheiten zu überwinden, um dahin zu kommen, dass wir Gott lieben aus ganzem Herzen und den Nächsten wie uns selbst. Das christliche Leben ist ein alltäglicher asketischer Kampf, ein Kampf gegen die dämonischen Mächte, die versuchen, uns fernzuhalten von Gott, uns dazu zu bringen, die Liebe Gottes für uns zu ignorieren und zu leben, ohne auf sie zu achten.
Aus diesem Grunde vergleicht der hl. Paulus das Leben des Christen mit den Athleten, die sich eine strenge Askese auferlegen, um so eine vergängliche Krone zu erlangen. Eine solche Askese ist von daher noch viel notwendiger, um das ewige Leben zu erlangen. In unserem Kampf gegen die bösen Leidenschaften, die von den Dämonen gefördert werden, nehmen das Gebet und das Fasten einen ganz zentralen Platz ein. Der Herr selbst belehrt uns, dass man sich nicht von der Herrschaft der bösen Geister befreien kann, außer durch das Gebet und das Fasten (vgl. Math 17, 21). Die Orthodoxe Kirche ist in besonderer Weise eine Kirche des Gebetes und der Askese.
Unsere Väter im Glauben haben uns ein reiches liturgisches Erbe hinterlassen, eine tiefe mystische und asketische Tradition, die immer aktuell ist, denn sie antwortet auf die Bedürfnisse und die Forderungen jedes Menschen, der Gott sucht.
Besonders die Göttliche Liturgie, die durch ihre Schönheit „der Himmel auf Erden“ ist, muss sich im Zentrum des Lebens eines jeden Christen befinden. An der Göttlichen Liturgie regelmäßig, wenn möglich jeden Sonntag, teilzunehmen, ist schon eine Askese, zumal unsere Gottesdienststätten sich oft weit entfernt von unseren Wohnungen befinden. Jeden Tag so viel wie möglich zu beten und besonders sich auch zu bemühen, die Qualität seines Gebetes zu steigern, d.h. mit voller, im Herzen konzentrierter Aufmerksamkeit zu beten, wie uns die Väter lehren, ist ebenfalls eine große Askese, so wie auch das Fasten, sei es nun das eucharistische Fasten oder das Fasten an den Mittwochen und Freitagen oder in den Fastenzeiten des Jahres.
Wir haben jetzt die Große Fastenzeit begonnen, die uns vorbereitet auf das Fest der Auferstehung des Herrn. Es ist eine Zeit der Buße, der Wiederversöhnung mit Gott und unserem Nächsten durch die Beichte unserer Sünden vor dem Priester. Das Fasten, das wir während dieser Zeit ein jeder gemäß seiner eigenen Kräfte praktizieren, hilft, in uns den Kampf der Leidenschaften zu besänftigen, den Geist zu reinigen und uns zu helfen, dass wir uns auf das Herz konzentrieren. So wird das Gebet, das vom Fasten begleitet ist, immer mehr zu einem reinen Gebet werden, ohne andere Gedanken als nur die Gedanken an Gott. Fasten bedeutet auch, dass wir unsere Güter mit unseren Brüdern teilen, die sich in Not befinden.
Somit haben also unser Gebet und all unsere asketischen Anstrengungen zum Ziel, dass wir die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten erlangen. Ein Heiliger wird gerechterweise der genannt, in dem die Liebe alles überwindet, jeden Hass und jede schlechte Leidenschaft. Der Heilige triumphiert sogar durch die Gnade über seine eigene Natur; er ist ein umgestalteter Mensch, ein befriedeter Mensch, ein geeinter Mensch, der in sich die ganze Menschheit und den ganzen Kosmos vereint. Im Heiligen verehren wir zu Recht das heiligende Werk Gottes, denn letztlich ist alles Gnade. Und jede Ikone, der wir begegnen, ist eine Einladung zur Heiligkeit.
Wir wünschen Euch allen ein gesegnetes Fasten und rufen den Segen
des Herrn auf Euch, auf Eure Kinder und Eure Familien herab.
Berlin, am Sonntag der Orthodoxie 2005
+ Metropolit
AUGOUSTINOS von Deutschland
Griechisch-Orthodoxe
Metropolie von Deutschland
+ Metropolit
GABRIEL von West- und Mitteleuropa
Metropolie
der Griechisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien für West- und
Mitteleuropa
+ Metropolit
SIMEON von West- und Mitteleuropa
Bulgarische
Diözese von West- und Mitteleuropa
+ Erzbischof
LONGIN von Klin
Ständige
Vertretung der Russischen Orthodoxen Kirche in Deutschland
+ Erzbischof
FEOFAN von Berlin und Deutschland
Berliner
Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer
Patriarchats
+ Bischof
KONSTANTIN für Mitteleuropa
Serbische
Orthodoxe Diözese für Mitteleuropa
+ Metropolit
Dr. SERAFIM von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa
Rumänische
Orthodoxe Metropolie für Deutschland, Zentral- und Nordeuropa
+ Erzbischof
IOAN von Parnassos
Ukrainische
Orthodoxe Eparchie von Westeuropa
+ Metropolit
ABRAHAM von Westeuropa
Westeuropäische
Diözese der Georgischen Orthodoxen Kirche
+ Erzbischof
GABRIEL von Komana
Exarchat
der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa
Fastenbotschaft 2006 Naechstenliebe
Historische Argumente und Entwicklungen
im "Bilderstreit"
und die
Ikonentheologie des Hl. JOHANNES von Damaskus
Die
Bilderstürmer (Ikonoklasten)
störte an den Bilderfreunden (Ikonodoulen) nicht nur
Mißbrauch oder Übertreibung der Bilderverehrung,
sondern es spiegelt sich in dieser Auseinandersetzung die Endphase
eines langen Ringens um die richtige Christologie.
Die Ikonoklasten meinten, dass die göttliche und die
menschliche Natur in der Person Christi doch nur geglaubt, aber nicht
abgebildet werden könne. Wer die menschliche Natur aber
isoliert darstellen wolle, versündige sich gegen die
Doppelnatur Christi. Die Vorstellung, die in Christus vorhandene
göttliche Natur habe den Vorrang, und anstelle der
menschlichen Seele habe der Logos dominiert fand ihren Ausdruck in der
Meinung Christus sei eine reale Vermischung (Realmonophysitismus).
Dagegen hat sich das Konzil von Nicaea 325 gewendet.
Das 4. Allgemeine Konzil von Chalkedon hat 451 die Lehre von den beiden
selbständig und komplett in Christus vorhandenen Naturen
(Duophysitismus) nochmals betont und erneut als Glaubensbekenntnis
festgelegt. In den orientalischen Regionen des Römischen
Reiches wurde am Monophysitismus dennoch festgehalten. In der
Äthiopischen Kirche, in der Syrisch-orthodoxen Kirche und in
der Koptisch-orthodoxen Kirche haben sich Formen des Monophysitismus
bis heute erhalten. In welchem geistigen und theologischen Umfeld
Christusbilder oder andere religiöse Darstellungen zu
rechtfertigen seien und wie sie verstanden werden sollten, war noch
nicht wirklich durchdacht oder definiert. In der Bilderfrage drifteten
der Osten und der Westen immer weiter auseinander, und aus politischen
Gründen kam es im 8. Jahrhundert in der geographischen Mitte
der damaligen Christenheit, im Oströmischen - von uns heute
Byzantinisch genannten - Reich zum Eklat.
Der sogenannte "Byzantinische Bilderstreit"entwickelte
sich rasch von einer Theoriediskussion zum Bürgerkrieg
(Ikonoklasmus, von klazo = ich zerstöre). Was jahrhundertelang
eine theologische Kontroverse und ein theoretischer Konflikt war,
triftete aus politischen Gründen auf einen Bilderstreit zu,
der sich zum Bürgerkrieg entwickelte.
Der richtige Glaube war damals noch nicht zur Privatsache
abgewertet, theologische Fragen nicht nur ein Diskussionspotential
für Gebildete.
Die richtige Interpretation des Christentums war ein reales Anliegen
für jeden Bürger.
Grundlage für den byzantinischen Staat war das
römische Gesetz "Cunctos populos" aus dem Jahre 380: Wer nicht
den rechten Glauben hat (Häretiker), kann nicht
Reichsbürger sein. Nachdem Kalif Jezid II. 721 alle Bilder aus
Kirchen und Öffentlichkeit in seinem Herrschaftsbereich hatte
entfernen lassen breitete sich diese materiefeindliche Ansicht auch
unter den Intellektuellen im byzantinischen Herrschaftsbereich aus und
Kaiser Leon III. (717—741), selbst aus Kleinasien stammend,
wo schon im 7. Jahrhundert verstärkt bilderfeindliche
Tendenzen ausgebrochen waren, ordnete 726 erste Zerstörungen
von religiösen Bildern an, eine Versammlung kaisertreuer
Beamter formulierte die theologische und juristische Verurteilung der
Bilder.
Ein kaiserliches Edikt erklärte 730 den Bildergebrauch als
strafbar. Patriarch Germanos von Konstantinopel, der dagegen
protestierte, wurde abgesetzt, sein orthodoxer Nachfolger enthauptet.
Auch Papst Gregor III., der schon damals den später "orthodox"
genannten Standpunkt vertrat, exkommunizierte alle Ikonoklasten.
Mittelitalien schied aus dem Reich des Kaisers aus. Loyalität
zum Kaiser stand gegen Freiheit der Kirche.
Unter Konstantin V. (741-775) wandte sich die gesteigerte gewaltsame
Verfolgung auch gegen die Verehrung der Heiligen und der Gottesmutter,
Moenche wurden zur Heirat gezwungen, Klöster zu Kasernen
missbraucht. 50 000 griechische Mönche flohen nach Italien, an
die nicht von Byzanz beherrschten Küsten des Schwarzen Meeres,
Zypern, Syrien und Palästina. Der Kaiser berief
gleichgesonnene kirchliche Würdenträger zu einem
Konzil in seinem Palast. Erwartungsgemäß wurden die
Bilder verurteilt und ihre Zerstörung angeordnet. 766
mußten sich alle Bürger durch Eid verpflichten,
einem Bild nie wieder die Proskynese zu erweisen.
Zwei Themenbereiche mußten geklärt werden, bevor das
Ringen um die "Rehabilitierung" der Bilder wieder aufgenommen werden
konnte:
Welches
ist das richtige Bild Christi?
Welche Verehrung kommt wem zu?
Zu groß war die Befürchtung, das Bild selbst
könne Gegenstand der Verehrung sein. Im antiken Denken war im
Götterbild die Kraft der Gottheit, mancher mochte das Abbild
selbst für das Urbild halten.
Schon im 2. Jh. hatte sich Kirchenvater Klemens von Alexandrien
darüber Gedanken gemacht:
"Ist das Urbild nicht gegenwärtig, kann das Ebenbild denselben
Glanz ausstrahlen.
Ist die Wirklichkeit jedoch präsent, wird selbst das Bild noch
von ihrem Glanz übertroffen;
die Ähnlichkeit bleibt jedoch bestehen, enthüllt sie
doch die Wahrheit."
Ein ganz entscheidendes, weil bis dahin nie geklärtes Problem
mußte weiterhin die Frage sein, an wen sich die vor den
Bildern offensichtlich Verehrung wendete. Das Risiko war zu
groß, daß die kultische Verehrung, die Gebete, der
Weihrauch oder das sich Niederwerfen (Proskynese), die ja nur dem
Urbild zukommen konnte, allmählich auf das Abbild
übergehen konnte.
Die Verteidiger und Freunde der Bilder (Ikonodoulen) wehrten sich gegen
den Vorwurf des "Holzanbetens", und der Bischof von Rom wurde ihr
Wortführer. Papst Gregor II. (715-731) hat in zwei Synoden die
bilderfeindlichen Bestrebungen zurückweisen lassen und sich
deswegen mit Kaiser Leon III. heftig überworfen. Den
kaiserlichen Vorwürfen entgegnete er:
"... Ihr sagtet: ,Steine und Wandbewurf
betet ihr an!´
Nicht so ist es, o Kaiser, wie Ihr behauptet.
Wir verehren die Bilder, weil sie uns Denkhilfe und Anregung sind, und
weil sie unser erdhaftes, sinnengebundenes Denken zur Höhe
ziehen - und deshalb haben sie ihren Namen und Gebetsinschriften und
Formen.
Wir aber beten sie nicht an als Götzenbilder, wie Ihr
behauptet; ferne sei das.
Denn wir gründen unsere Hoffnung nicht auf sie, sondern wenn
wir ein Bild des Herren anschauen, beten wir:
"Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich unser und rette uns!"
Und beim Anblick des Bildes seiner heiligen Mutter sagen wir:
"Heilige Gottesgebärerin, Mutter des Herren, flehefür
uns bei Deinem Sohn, unserem wahren Gott, dass er unsere Seelen rette!"
Und vor einem Märtyrerbild:
"Heiliger Stephanus, Du Erzmärtyrer, Du hast für
Christus Dein Blut vergossen und darfst darum freimütig zu ihm
sprechen, bitte für uns!"
So beten wir vor den Bildern aller Blutzeugen, solche und
ähnliche Gebete senden wir zum Himmel durch ihre
Fürbitte...
Für die Ikonoklasten war die Eucharistie die einzig legitime
Abbildung Christi. Die Ablehnungen der bilderfeindlichen Synode 754
kreisen um das Christusbild und gipfeln in der Feststellung und im
Vorwurf, daß ein ehrgeiziger Maler zwar nach
künstlerischen Vorstellungen den menschlichen Körper
Christi darstellen könne, nicht aber dessen unsichtbare und
damit nicht abbildbare göttliche Natur. Sollte er diese beiden
vermischen wollen, werde er zu einem Häretiker. Dies war auch
eine deutliche Abgrenzung gegen monophysitische Vorstellungen.
Während der folgenden langen Auseinandersetzung versammelten
sich die Bilderfeinde (Ikonoklasten) zu einem Konzil 754 in Hiereia
(Kleinasien). Wichtigster Kritikpunkt war die unwiderlegbare Tatsache,
daß das Nebeneinander der göttlichen und
menschlichen Natur in Christus (Duophysitismus) nicht bildhaft
wiedergegeben werden könne, und sie erhoben gegen die Maler
den entscheidenden Vorwurf (can.252):
"Ein solcher ,Linksmaler' hat ein Bild (eikon) gemacht, es Christus
genannt. Und dieser, Christus' ist göttlicher und menschlicher
Natur?
Und im übrigen hat er entweder nach dem Gutdünken
seines vergeblichen Trachtens das Unumschreibbare der Gottheit mit der
Umschreibbarkeit des geschaffenen Fleisches zusammen umschrieben, oder
er hat jene unvermischte Einheit, damit der Widergesetzlichkeit der
Vermischung schuldig werdend, vermischt.
So hat er folglich zwei Blasphemien begangen - die der Umschreibung und
die der Vermischung.
Diesen beiden Blasphemien fällt nun auch derjenige anheim, der
das Bild mit Proskynese verehrt..."
"Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geiste
und in der Wahrheit anbeten." [Joh 4,24]
Ferner:
"Niemand hat Gott je gesehen" [Joh 1,18] und
"Ihr habt weder seine Stimme gehört, noch seine Gestalt
(eidos) gesehen " [Joh 5,37] und die Schrift preist alle selig, die da
glauben, obwohl sie ihn nicht sehen. [Joh 20,29]
Auch im Alten Testament hat Gott zu Moses und dem Volk gesprochen:
"Du sollst dir
kein Gottesbild machen und keine
Darstellung von irgend etwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder
im Wasser unter der Erde"[Ex 20,4] denn auf dem Berg
(Sinai) "sprach (der Herr) zu euch mitten aus dem Feuer"[Deut 4,12]
, doch "ihr habt weder seine Stimme gehört, noch seine Gestalt
je gesehen."[Joh
5,37]
"Sie
dienen einem Abbild und
Schatten der himmlischen Dinge"[Hebr 8.5]
und wiederum: "Auch wenn wir früher Christus nach menschlichen
Maßstäben eingeschätzt haben, jetzt
schätzen wir ihn halt nicht mehr so ein"[2. Kor 5,16],
"denn als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende."[2. Kor 5,7]
Schliesslich hat derselbe (Paulus) beweiskräftig gesprochen:
"So gründet der Glaube in der Botschaft, die Botschaft im Wort Christi."[Rm 10,17]
Religiöse Bilder aller Art wurden zerstört, in den Kirchen die vorhandenen Dekorationen entfernt und durch bildlose Dekorationen abgelöst. Unter Kappadokiens Höhlenkirchen sind nicht wenige aus der Zeit des Bilderkampfes erhalten und zeigen die bildlose Malerei der Ikonoklasten, allen voran die Barbarakirche in Göreme. Unter dem etwas gemäßigteren Kaiser Leon IV. (775-780) waren die Auseinandersetzungen mehr dogmatischer Art. Nach seinem Tod berief seine bilderfreundliche Witwe, Kaiserin Eirene, nach mühsamem Zurückdrängen der auf Mönchsfeindlichkeit eingeschworenen Armee gemeinsam mit dem späteren Patriarchen Nikephoros 787 zu einer Synode in der altehrwürdigen Konzilsstadt Nicäa, in der die Bilder rehabilitiert wurden.
"Wir verlangen eindeutig und ausdrücklich, daß die ehrwürdigen und heiligen Ikonen ausgestellt werden wie das Bild des ehrwürdigen und heilbringenden Kreuzes selbst..."
Die Bilderfreunde (/Ikonodoulen) trafen sich. Auf diesem 7. allgemeinen Konzil wurde die inzwischen erarbeitete Bildertheorie des arabischen Mönches Johannes von Damaskus (ca. 650-750) zur Basis einer Theologie der Ikonen.
Die Bilderfeinde kannten die Positionen des wortgewaltigen Mönches aus Damaskus, er ist ihr Hauptgegner, ihn trifft ihr Bannfluch am heftigsten.
Johannes war
bereits gestorben, konnte seine
Positionen nicht selbst vertreten. Theodor, Abt des Studion-Klosters in
Konstantinopel, wurde der Wortführer auf dem Konzil und
betonte die Ideen des Johannes durch eigene Vertiefungen. Johannes
entkräftete zunächst die Bezugnahme auf das Alte
Testament mit den Hinweisen,
- dass auf Gottes Geheiß an der Bundeslade
Bilder angebracht worden sind (Ex 25,18-22; Hebr 9,5)
- ebenso auf dem Vorhang des Tempels (Ex 26,31 und
36,8).
Das Hauptargument für Johannes von Damaskus war die Menschwerdung. Christus könne nicht durch Symbole, sondern nur durch seine menschliche Gestalt dargestellt werden. Seine Darstellung könne sein ewiges Bild im Sinne einer höheren Wahrheit spiegeln. Christus sei freiwillig Mensch geworden, deshalb sei es weder unmöglich noch respektlos, seine menschliche Gestalt abzubilden.
Die Inkarnation war das Hauptargument für die Rechtfertigung einer religiösen Bildkunst. Gottvater könne und dürfe aus diesem Grund allerdings nicht abgebildet werden. Johannes gibt den Bilderfeinden unumwunden zu, daß die nicht sichtbaren Glaubenswahrheiten auch nicht bildhaft dargestellt werden könnten. Aber: Alle seine Zeitgenossen hätten den historischen Jesus als Menschen gesehen, einige hätten aber glaubend seine nicht sichtbare Göttlichkeit erkannt. In seiner Verteidigungsrede für die Bilder argumentiert er:
"Ein Bild ist wirklich ein Abbild und Beispiel, ein Abdruck eines in ihm gezeigten Abgebildeten...
... daher habe ich den Mut, vom unsichtbaren Gott ein Bild anzufertigen, nicht als Unsichtbaren, sondern als um unsretwillen durch die Anteilnahme an Fleisch und Blut sichtbar gewordenen. So bilde ich nicht die unsichtbare Gottheit ab, sondern das Fleisch Gottes, das gesehen worden ist.
Wenn es schon unmöglich ist, die Seele abzubilden, wieviel mehr erst Gott, der auch der Seele das Nichtmaterielle verliehen hat..."
Interessant ist
ein Blick auf die historische und
topographische Konstellation: Um in einer bedrohlichen Phase der
islamischen Angriffe die bilderfeindlichen Provinzen ans Reich zu
ketten und um sie nicht in die Arme des Kalifen zu treiben, der ihnen
problemlos Religionsfreiheit hat in Aussicht stellen können,
war der syrische Kaiser Leon III. auf eine reichsweite
Bilderfeindlichkeit eingeschwenkt, was den Vorwurf der islamischen
Infiltration begründet.
Im Gegensatz dazu lebte und lehrte Johannes von Damaskus in einem
Kloster in Jerusalem, das seit 637 unter islamischer Herrschaft stand
und in dem die Christen ihren Ideen nachgehen konnten, ohne das
Eingreifen eines sie reglementierenden christlichen Kaisers
fürchten zu müssen. Die Freiheit zur Widerrede gegen
den christlichen Kaiser und zur Verteidigung der Bilder konnte Johannes
nur im bilderlosen islamischen Kulturkreis genießen.
Später hatten die Mönche des Studion-Klosters in
Konstantinopel unter ihrem Igumen, dem Hl. Theodor viel
Überzeugungsarbeit zu leisten um das durch die Propaganda der
Bilderstürmer verdorbene Konstantinopel zu
überzeugen. Noch einmal flammte die Terrorherrschaft der
bilderfeindlichen Mächte auf, die Mönche von Studion
wurden 809 vertrieben und verbannt, konnten aber bald wieder
zurückkehren. Noch 815 berief ein bilderfeindlicher Kaiser ein
ikonoklastisches Konzil in die Hagia Sophia ein, ersetzte
willkürlich den mutigen Patriarchen Nikephoros und weitere 28
Jahre wurden Ikonen vernichtet und versucht die Kirche mit dem Gewalt
einer Schreckensherrschaft dem Diktat des Kaisers zu unterwerfen.
Klöster wurden geschlossen, Mönche terrorisiert,
Ikonenmaler misshandelt; z.B. dem Mönch Lazarus beide
Hände im Feuer verbrannt.
Erst unter Kaiserin Theodora wurde 843 das Konzil von 787
bestätigt und am 11. März, dem 1. Fastensonntag,
verkündet. Die kaiserliche Macht erkannte endgültig
das Recht der Kirche auf die selbstständige Regelung ihrer
religiösen Angelegenheiten an.
Die Bildertheologie des Johannes wurde die Basis für die
Rechtfertigung des Bildergebrauchs und Entscheidungsgrundlage
für die Konzilsväter. Die entscheidenden Passagen des
Konzilsbeschlusses von 787 lauten:
"... Die Verehrung des Bildes (eikon) geht nämlich auf das Urbild (prototypos) über, und wer das Bild verehrt, verehrt die Hypostasis dessen, was in ihm eingeschrieben ist.
Damit wird die Lehre unserer heiligen Väter bestätigt und gleichermaßen die Tradition der Katholischen Kirche, welche das Evangelium von einem Ende (der Welt) zum anderen aufgenommen hat. Somit folgen wir Paulus, der in Christo geredet hat, dem ganzen göttlichen Kreis, und den heiligen Vätern, indem wir die Überlieferungen bewahren, welche wir empfangen haben. So singen wir der Kirche prophetische Siegeshymnen:
'Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Freu dich und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem. Der Herr hat das Urteil gegen dich aufgehoben und deine Feinde zur Umkehr gezwungen. Der König Israels, der Herr, ist in deiner Mitte; du hast kein Unheil mehr zu fürchten.'
Und Friede wird über dir sein bis in ewige Zeit.
Wir ordnen an, daß diejenigen, die es wagen, etwas anderes zu denken oder zu lehren oder die gegen die offenkundigen Häretiker (gerichteten) kirchlichen Überlieferungen zu verwerfen oder irgendwelchen Zusatz hinzuzusinnen, oder etwas von den kirchlichen Weihegegenständen wegzuwerfen - ein Evangeliar, ein Kreuzzeichen, eine bildliche Darstellung oder eine heilige Märtyrerreliquie - oder ränkevoll und böswillig etwas hinzufügen, um einen Punkt der rechtskräftigen Überlieferung der katholischen Kirche umzustürzen, und zwar besonders, um die kirchlichen Kleinodien oder die frommen Klosterstiftungen zu verstaatlichen, wenn sie Bischöfe oder Kleriker sind, zu entfemen, Mönche und Laien aber von der Kommunion (koinonia) auszuschließen...
Das heilige Konzil akklamierte:
Wir alle glauben so, wir alle denken dasselbe, wir alle haben mit unserer Zustimmung unterschrieben.
Dies ist der Glaube der Apostel, dies ist der Glaube der Rechtgläubigen.
Dieser Glaube fundiert die Oikumene.
Im Glauben an den einen Gott, der in der Dreifaltigkeit besungen wird, küssen wir die verehrungswürdigen Ikonen.
Diejenigen, die es nicht so halten, sind verdammt ...
Diejenigen, die nicht so denken, sind weit aus der Kirche entfernt."
In den zwei entscheidenden Problemkreisen war ein Kompromiß gefunden:
Zum einen war das
für die Bilderfrage
bisher unlösbare Dilemma des Duophysitismus nunmehr
lösbar:
Das Bild gibt zwar nur die menschliche Natur wieder, kann aber dennoch
akzeptiert werden, weil die nicht abbildbaren göttlichen
Anteile dazu gewußt und ergänzend geglaubt werden.
Der nicht bildhaft sichtbare Glaubensakt drückt sich in den
bekennenden Inschriften aus. Das Göttliche erheischt eine
Abbildung. Sie gehört zu ihm wie der Schatten zu seinem
Körper.
Im Umkehrschluß wäre ein Verbot der Bilder und ihrer
Verehrung eine Leugnung des sichtbar gewordenen Christus.
Theodor von Studion formulierte:
"Insofern Christus von einem unumschreibbaren Vater herkommt, kann er kein Kunstbild haben, weil er unbeschreibbar ist. In der Tat, welchem Bilde hätte die Gottheit, deren Darstellung in der Heiligen Schrift vollkommen verboten ist, gleichgestellt werden können? Insofern aber Christus von einer beschreibbaren Mutter geboren wurde, hat er natürlicherweise eine Darstellung, die dem mütterlichen Bilde entspricht. Und wenn er kein Kunstbild hätte, wäre er auch nicht von einer beschreibbaren Mutter geboren und hätte also nur eine Geburt - nämlich vom Vater. Dies aber wäre eine Umstürzung seines Heilsplanes."
Diese Überzeugung fand 843 Eingang in die Texte der Orthodoxie.
Zum anderen war entscheidend, daß die längst überfällige und letztlich konfliktauslösende Frage jetzt endlich ein für allemal geklärt wurde: Die vor den Ikonen vollzogene Verehrung und Kniefall (proskynesis) durch die Gläubigen gilt nicht den Holztafeln, sondern dem Urbild, geschieht nicht im Hinblick auf die Materie, sondern im Hinblick auf den Dargestellten. Die Wirkkraft des Abgebildeten ist immer im Bild. Es gibt eine Einheit von Urbild und Abbild nach Form und Ähnlichkeit. Die Anbetung (latreia) ist alleine Gott vorbehalten.
Der christliche Westen hat sich zunächst vehement für die Bilder ausgesprochen, z. B. der Diakon Epiphanius aus Catania.
Vergleiche der Ikone mit dem Andachtsbild westlicher Ausprägung machen die essentiellen Unterschiede deutlich:
Ziel der Ikone ist es, die heiligen Überzeugungen in allgemein verbindliche Bilder umzusetzen.
-
Ziel des Andachts-Bildes ist es, den Betrachter durch wie immer
geartete Gestaltungsmöglichkeiten möglichst
"andächtig" zu machen, d. h. er soll an die illustrierten
Geschehnisse erinnert werden und emotional in sie eindringen bzw. an
ihnen beteiligt sein.
Die Ikone basiert auf den Berichten glaubwürdiger Zeugen und auf den Richtigstellungen erleuchteter Konzilsväter.
-
Der Künstler, der ein Andachts-Bild malt, kann neue
Formulierungen zur Steigerung der Wirkung "cre-ieren".
Themenauswahl und Bildkomposition, Repräsentation der Einzelfiguren, Gestaltung der äußeren Erscheinungen der Ikone müssen die kanonischen Traditionen fortsetzen. Neu angefertigte Werkstücke müssen die Vorbilder der Vorlagen fortsetzen.
-
Der Künstler des Andachts-Bildes beweist seinen
Einfallsreichtum und seine künstlerische Kreativität
durch ansprechende Neuformulierungen des Themas.
Den Ikonenmaler bewegt eine mystische Teilhabe an der in Gebet und Schriftlesung geschauten verklärten Welt.
-
Der Künstler des Andachtsbildes bedient sich seiner Phantasie.
Die
künstlerische Freiheit des
Ikonen-Schreibers ist in dem Satz der Heiligen Schrift zusammengefasst:
"Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit." 2 Kor 3,17
-
"Künstlerische Freiheit" im durchaus weltlichen Sinne ist die
Grundlage des Gestaltungsprozesses für das Andachts-Bild des
Westens.
(Unter Verwendung der Auszüge die der Religionspaedagoge Horst Leps aus den Seiten 15 –20, 29, 51+52 unter Weglassung der Fußnoten, aber Ergänzung der Bibelstellen aus der Einleitung des Ausstellungskatalogs "Ikonen des Ostens - Kultbilder aus fünf Jahrhunderten", herausgegeben vom Erzbischöflichen Ordinariat Bamberg, St. Otto Verlag Bamberg, Copyright 1998 Erzbischöfliches Ordinariat Bamberg, Hauptabteilung Kunst und Kultur, Autor: Kurt Ruppert, Bamberg, erstellt hat)
2. Sonntag der grossen voroesterlichen FASTEN
Lesung: Hebr. 1:10 - 2:3 EVANGELIUM: Mk. 2: 1 - 12 |
|
Hl.GREGOR Palamas
Predigt
Erzbischof LEONID zum Fest
Die Tradition der Kirche lasst uns heute - im Sinne des Festes der Verkündigung der Frohbotschaft an
die Gottesgebärerin- sowohl an die Heilung des Gelähmten als
auch an den Hl. GREGOR Palamas
denken.
Es wird uns bewusst, dass Gott uns unser Heil nicht aufzwingt, sondern
unser Mitwirken will. Mitwirken sollen wir nicht nur egoistisch an
unserem eigenen Heil sondern auch alles dazu tun, um anderen die
Heilung zu ermöglichen.
Das Fest der Verkündigung der Frohbotschaft an die
Gottesgebärerin ist auch das Fest der Zustimmung der
Menschheit zum Heilsplan Gottes. Die Gottesgebärerin handelt
nicht ohne zu wissen, was sie tut. Ihr kritisches Hinterfragen der
Botschaft des Engels zeigt ihre starke Persönlichkeit. Aber im
Unterschied zu unser mißgeleiteten Mutter Eva weiß
Maria die Mutter der erneuerten Menschheit auch, dass die menschliche
Vernunft ihre Grenzen hat. Und dass es ohne die Überwindung
der Enge dieser Grenzen keinen Zugang zu Gott geben kann.
Diese menschliche Anstrengung zur Öffnung für die
göttliche Energie führt zum Heilswirken in der
"Syn-Ergie".
Diese Überwindung unserer vermeintlichen allzumenschlichen
Grenzen ist nicht leicht.
In der Fastenzeit sind wir aufgerufen dafür zu "trainieren".
Aber wir brauchen dazu Anleitung und fühlen uns oft genug auch
wie der Gelähmte und brauchen die Hilfe unserer Mitmenschen.
Besonders in unserer Gesellschaft, die den Individualismus
vergöttert, und den Glauben zur Privatsache machen will,
sollten wir uns dessen bewusst werden, dass "keiner allein" gerettet
wird. Unser Christentum kann nicht ohne Gemeinschaft heilsam werden. In
dieser Gemeinschaft tragen wir alle für unseren
nächsten Verantwortung und sollten immer bereit sein, so zu
handeln wie die Mitmenschen des Gelähmten.
Hilfreich für unsere Suche nach dem Zugang zu Gott ist auch
die Überwindung von westlicher Skolastik und thomistischer
Theologie, die Synthese von apophatischer und kataphatischer Sprache
von Gott, sowie der Weg des Herzensgebetes und die Möglichkeit
der Schau des "ungeschaffenen Lichtes", der Schau Gottes in Seiner
Energie.
Wege des Heils, die uns der Heilige GREGOR Palamas erschlossen hat.
Der Heilige GREGOR Palamas (1296-1359) war der hochintellektuelle
Sprecher der Mönche des Heiligen Berges Athos, die in jener
Zeit, wie so oft davor und danach die Erkenntnisse der Orthodoxie gegen
die oberflächlichen Behauptungen der Günstlinge der
weltlichen Machthaber verteidigen mussten.
Zunächst von der Gelehrsamkeit des Ostens durch die
Erkenntnislehre des Dionysios Aeropagita fasziniert kam der
humanistisch gesinnte Mönch Barlaam in den Osten und stieg
bald zum Hoftheologen des Kaiserhofes in Byzanz auf. Bald begann er die
Gebetspraktiken des Herzensgebetes der östlichen
Mönche zu verspotten und zu bekämpfen.
Es ging den Mönchen den Zugang zum ungeschaffenen Licht
Gottes, das Erspüren der Energiewirkung Gottes, nicht als
subjektive Einbildung abtun und so verschütten zu lassen.
Obwohl es ihm zunächst nur Gefangennahme und Ausstoss aus der
Kirche durch einen humanistischen Patriarchen einbrachte und er erst
mehr als 5 Jahre durch das Konzil von 1351 rehabilitiert wurde, setzte
der Hl. GREGOR Palamas die Unterscheidung zwischen dem unfassbaren
Wesen Gottes und Seinen erfahrbaren Energien durch.
Apophasis heisst Verneinung. Apophatisch von Gott zu reden wird durch
den Versuch der Gotteserkenntnis durch menschliche Vernunft und
Welterfahrung ausgelöst. Es bedeutet, von Gott zu sagen, wie
Er nicht ist: Er ist nicht begrenzt, nicht endlich, nicht
vergänglich - also unbegrenzt, unendlich,
unvergänglich u.s.w.
Dies ist die Absage an den erkenntnistheoretischen "Realismus" der
westlichen Skolastik (Thomismus, Skotismus).
Demgegenüber ist sich die orthodoxe Theologie dessen bewusst,
das wir von Gott immer nur in Bildern und Gleichnissen reden, auch wenn
wir das abstrakt in Begriffen tun.
Demgegenüber bedeutet Kataphasis Bejahung, die positiv die
Verkündung der Offenbarung Gottes ermöglicht, die
Verkündung der Heilsereignisse Gottes, durch die Er in unsere
Geschichte eingegangen ist und immer wieder in unser Schicksal eingeht
und durch die Er sich uns in Seinen Energien zu erkennen gibt.
Die beiden Positionen dürfen nicht fundamentlistisch
gegeneinander gesetzt werden. Heilswichtig ist es hingegen die beiden
Sichtweisen stets gleichzeitig anzuwenden und damit nicht den
Trugschlüssen der Begrenztheit menschlicher Vernunft zum Opfer
zu fallen:
Wir reden vom Wesen Gottes nicht anders als in Bildern und
Gleichnissen aber wir reden immer von heilswirksamer Realität,
wenn wir von Seiner Offenbarung und Seinen Heilsmysterien reden.
So wird Theologie zur geistlichen Medizin, derer die Menschheit unserer
Zeit -gleichzeitig im Dilemma vom Wahn der "Allmachbarkeit" gefangen
und gleichzeitig der absolut entwertenden Orientierungslosigkeit
verfallen- im besonderen Maße bedarf.
Predigt
von
Erzbischof LEONID von Riga und Lettland
in der zweiten Woche der großen Fasten
*Quellenhinweis*
In der heutigen Evangeliumslesung hörten wir, Brüder, die Erzählung von der Heilung des Gichtbrüchigen in Kapernaum durch den Herrn Jesus Christus (Mk. 2, 1-12).
Christus lehrte in einem Haus das Volk. Über Ihn, den großen Wundertäter, hatte sich schon überall die Kunde verbreitet, und eine Menge Volks kam zu Ihm. Das Haus war so dicht umlagert, daß es unmöglich war, einzutreten und zu Jesus zu gelangen. Und siehe, vier Männer trugen einen Gichtbrüchigen herbei, der sich nicht selbst bewegen konnte, auch nicht die Kraft hatte, von seinem Bett aufzustehen. Sie wollten unbedingt zu Jesus gelangen, sie wollten mit Ihm zusammentreffen, um die Heilung des Kranken zu erbitten.
Die Hoffnung brannte im Herzen. Wenn man nur durchgehen könnte, wenn man Ihn nur sehen könnte . . . So stark war ihr Glaube an den Herrn, und so stark war die Hoffnung, daß Er dem Kranken helfen würde, daß kein Hindernis sie davon abhalten konnte. Sie kletterten auf das Dach des Hauses, öffneten die Decke und ließen von dort das Bett mit dem kranken Gichtbrüchigen zu Jesu Füßen herab. Als Jesus diesen Glauben der Männer sah, heilte Er den Gichtbrüchigen und vergab ihm seine Sünden, die offensichtlich die Ursache seiner Krankheit waren. Und der Kranke, der vorher nicht einmal die Möglichkeit hatte, sich zu bewegen, stand auf, nahm sein Bett und ging hinweg. Dadurch versetzte er alle, die sich daselbst befanden, in Erstaunen, so daß sie Gott um des großen Wunders willen verherrlichten.
Nicht ohne Absicht bietet uns die heilige Kirche diese Evangelienlesung in den Tagen der großen Fasten an, in den Tagen der Buße und des Gebetes um die Vergebung unserer Sünde. Auch unsere Seele gleicht dem Gichtbrüchigen aus dem Evangelium: Die Sünden ketten sie so an die Erde, daß sie sich selbst nur mit Mühe auf dem Weg des Guten bewegen kann. Allein die heilbringende Hilfe Gottes kann uns die Kraft geben, auf dem Weg der göttlichen Gerechtigkeit zu wandeln. Wie aber schüttelt man dieses Joch ab, das uns umgibt, und die uns bedrückenden irdischen Mühen, Sorgen und Bindungen, die uns vom Herrn abdrängen ? Wie kann es geschehen, daß wir Sünder, verdunkelt durch Makel und Leidenschaften, dieser Barmherzigkeit des Herrn, der umgeben ist von unzählbaren himmlischen Kräften und der Schar der Heiligen Gottes, für würdig befunden werden? Wie nähern wir uns diesem Licht und dieser Heiligkeit ? Das heute verkündete Evangelium zeigt uns den Weg. Seht, wie groß der Glaube des Kranken und derer war, die ihn hinzutrugen, wie stark war ihre Hoffnung auf Heilung! Sie überwandten alle Hindernisse und erlangten Heil.
So
auch wir - wenn
lebendiger Glaube an den Herrn in uns glüht, wenn wir
unverrückt auf Seine Barmherzigkeit hoffen und so fest unsere
Heiligung begehren, daß wir alle Hindernisse, Anfechtungen
und Versuchungen überwinden. Wo immer wir uns von dem
entfernen, was uns zur Sünde zwingt und hinabzieht - wird auch
uns nach unserem Glauben geschehen. Der Herr ist gütig und
barmherzig, Er erhört unsere inbrünstigen Gebete und
erfüllt unsere innigsten Wünsche gnädig. Wie
den Gichtbrüchigen reinigt Er uns von den Verfehlungen und
hilft zu einem guten Leben in Christi Nachfolge.
Amen.
Aus
STIMME der ORTHODOXIE
Zeitschrift der Berliner Diözese der Russischen Orthodoxen
Kirche (Patriarchat Moskau)
http://members.aol.com/StimmeOrth
3. Sonntag der grossen voroesterlichen FASTEN
KREUZVEREHRUNG
Lesung: Hebr. 4:14 - 5:6 EVANGELIUM: Mk. 8:34 - 9:1 |
|
In
der Mitte der Fastenzeit verehren wir das Heilige, das lebenbringende
und uns daher so kostbare Kreuz des Herrn.
Nicht einem Stück
Holz gilt die Verehrung sondern dem Herrn Selbst, dem Gekreuzigten und
Auferstandenen !
Orthodoxe
Kreuzesverehrung:
Das Kreuz ist wie die Ikonen und das Evangelienbuch für die
orthodoxen Christen eine Abschattung der Wirklichkeit, auf die durch
das Bild hingewiesen wird.
Die Verehrung einer solchen Abschattung gilt
nicht dieser selbst, sondern der Wirklichkeit, die sie darstellt und
die nicht anders als im Bild in Erscheinung treten kann. Dahinter steht
die Überzeugung, dass das Göttliche für uns
nur im Bild begreifbar ist, nicht aber direkt fassbar. Doch nicht jedes
Bild, das wir uns machen, hat die Transparenz, den Blick auf das wahre
Urbild zu ermöglichen. Nur das theologisch wahre, das
geoffenbarte, das heilige Bild in der dogmatisch als richtig erkannten
Tradition wird solchermaßen transparent. In dieser
Transparenz des Kreuzes wird uns deutlich die Wirklichkeit des Kreuzes,
Christus Selbst, der am Kreuz unsere Schuld getilgt und in Seiner
Auferstehung den Sieg über den Tod vollendet hat. Das Kreuz
anbeten heisst also, Christus als Sieger am Kreuz anbeten.
Das Leiden des Gottessohnes am Kreuz, das uns ermöglicht auch
das Leid der Welt in diesem Licht zu sehen, führt uns im
Glauben immer hin zur Auferstehung.
Zum Unterschied zum Westen, der beginnend mit der Aristoteles-Rezeption
durch Augustinus und das Mittelalter weithin materielle und geistliche
Welt streng trennt, lehrt und die Orthodoxie die Ganzheit der
Schöpfung zu sehen, sei sie nun materiell oder
nicht-materiell; und so auch die Ganzheit der Wirklichkeit: Kreuz und
Auferstehung !
Wir kennen daher keine Konzentration auf die bloße Meditation
der Leiden vor dem körperlichen Christusleichnahm auf
Kruzifixen.
Unsere Verehrung des kostbaren und lebensspendenden Kreuzes ist eine
dankbare Unterwerfung unter das Kreuz, das uns durch Gottes
Menschenliebe vom Symbol der Hinrichtung zum Zeichen des Heils geworden
ist.
Am fruehen Morgen gehen wir zu Dir,
und preisen Dich in Hymnen,
Heiland der Welt,
da wir den Frieden gefunden in Deinem Kreuz,
durch das Du das Menschengeschlecht erneuert hast,
uns fuehrend zum abendlosen Licht.
Im Paradiese ward einst durch eines Baumes Frucht
das Vertrauen gebrochen und herbeigerufen der Tod.
Der Baum des Kreuzes aber
hat den Menschen das Kleid des Lebens gebracht.
Nicht mehr bewacht das Flammenschwert die Pforte von Eden.
Denn es nahte sich ihm eine neue Versoehnung,
des Kreuzes Baum.
Des Todes Stachel und des Hades Sieg ist zerschmettert.
Du tratest, mein Heiland, herzu,
den Bewohnern des Hades zurufend:
Lasst euch zurueckfuehren ins Paradies !
Heute tanzen der Engel Choere voller Freude,
Deinem Kreuze huldigend.
An ihm ja schlugst du Wunden der Daemonen Scharen,
an ihm wurdest, Christus,
Heiland Du den Menschen.
Sei gegruesst, dreimal seliges, heiliges Holz,
Kreuz,
Licht derer, die wandeln in Dunkelheit,
das du den vier Enden der Welt durch dein Leuchten zeigtest,
die Strahlen von Christi Erweckung,
wuerdige alle Glaeubigen,
das heilige Pas´cha zu schauen.
4. Sonntag der grossen voroesterlichen FASTEN
Lesung: Hebr. 6: 13 - 20 EVANGELIUM: Mk. 9: 16 - 30 Durch Enthaltsamkeit konntest du die Kraft deiner Seele erneuern; sie mit himmlischer Herrlichkeit veredeln. Heiliger Moench JOHANNES Darum riefst du allen zu: Nichts ziehet Gottes Liebe vor ! |
|
Heute macht uns die Kirche aufmerksam auf den Hl. JOHANNES Klimakos
(von der Himmelsleiter). Dieser Mönchsvater, der im 7.
Jahrhundert lebte, verwirklichte das Ideal von Gebet und Umkehr.
Schon mit 16 Jahren wurde er Einsiedler-Moench auf dem Sinai. 639 wurde
er als Igumen Klostervorstand. Vor seinem Tode zog er sich wieder in
die Einsamkeit zurück. Sein immer wieder gelesenes
Standardwerk "Die Himmelsleiter" beschreibt in 30 Sprossen -nach dem
verborgenen Leben Jesu- den Aufstieg zur Vollendung in Gott, den Kampf
gegen die Laster, die den Menschen immer wieder behindern und die
Tugenden die in die Nähe Gottes führen.
Krönung und Ziel des allmählichen Aufstiegs ist die
Ruhe der Seele in Gott.
Darauf dürfen auch wir uns in der Fastenzeit vorbereiten.
"Lasset uns Johannes ehren ... Ruhm der Asketen ..."
singen wir in der Vesper und im Orthros: "Während
dein Leib durch die Enthaltsamkeit abnahm, konntest du die Kraft deiner
Seele erneuern, sie mit himmlischer Herrlichkeit bereichern."
Aber die Kirche erläutert die Lehre des Hl. JOHANNES Klimakos
richtig, wenn sie verkündet, dass Askese sinn- und wertlos
ist, wenn sie nicht Ausdruck der Liebe ist. Und wieder in der Vesper
zitiert sie den Heiligen mit den Worten: "Darum riefst du
allen zu: Gott habet lieb, und ewige Gnade werdet ihr finden. Nichts
ziehet Seiner Liebe vor!"
Aus: The Year of Grace, A Monk of the Eastern Church, A
Spiritual and Liturgical Commentary on the Calender of the Orthodox
Church, Crestwood N.Y. 1992, p125f.
Übersetzt durch *St. Andreas Bote*
In dieser Woche
laedt uns die Kirche noch einmal
verstaerkt zur Umkehr ein. Wir sind eingeladen unser Vorleben zu
kreuzigen um in der Auferstehung erloest und erneuert zu werden.
Mittwoch wird der GROSSE KANON der
Umkehr unseres Vaters unter den Heiligen ANDREAS von Kretagebetet,
am Herrentag der diese Woche kroent, wird uns das leuchtende Vorbild
der Heiligen MARIA von AEGYPTEN vorgestellt.
Am Freitag duerfen wir des wichtigsten Menschen im goettlichen
Heilsplan fuer das ganze Menschengeschlechtduerfen wir des wichtigsten
Menschen im goettlichen Heilsplan fuer das ganze Menschengeschlecht,
der Gottesgebärerin im AKATHISTOS-HYMNUS gedenken.
5. Sonntag der grossen voroesterlichen FASTEN
Lesung: Hebr. 9: 11 - 14 EVANGELIUM: Mk. 10: 32 - 45 |
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Die Hl. Maria von Aegypten ist in der
orthodoxen wie in der lateinischen Kirche bekannt als ein Beispiel wie
Gott uns durch Seine Gnade Heilige schenkt, deren Lebensweg nach
menschlichem Mass alles andere als fromm und bieder ist. In jedem
menschlichen Charakterzug, auch in den "allzu menschlichen"
Schwächen,
ist doch auch ein Zugang zum Heil verborgen. Massloses Verlangen nach
Genuss kann im Zusammenwirken von Gottes Gnade und menschlicher Umkehr
zu massloser Gottesliebe fuehren.
Maria wurde im noerdlichen Aegypten geboren und entfloh im Alter von 12
Jahren dem elterlichen Hause, um in der Weltstadt Alexandria ein Leben
der Ausschweifung zu fuehren, einzig die Befriedigung ihrer Lueste
suchend. Nach 17 Jahren ausschweifenden Lebens trieb sie die Neugier
mit Wallfahrern zum Fest der Kreuzerhoehung zu den Heiligen
Stätten in Jerusalem zu segeln. Auch auf dem Schiff und in
Jerusalem liess sie ihrer Leidenschaft freien Lauf und
verführte jeden der es sich gefallen liess.
Als sie zur Verehrung des heiligen Kreuzes inmitten des gewaltigen
Menschenstromes, welcher der Auferstehungsbasilika zuflutete, auch
selbst in die Kirche eintreten wollte, wurde sie an der Schwelle von
einer unsichtbaren Gewalt, die staerker war als sie, zurueckgehalten,
waehrend die uebrigen an ihr voruebergingen. Auch die vereinte Kraft
mehrerer Maenner, um deren Hilfe sie gebeten hatte, konnten sie nicht
ueber die Schwelle der Kirche bringen. Da kam es ihr ploetzlich
erschreckend zu Bewusstsein, dass ihr Suendenleben Ursache dafuer sei,
dass sie das Heiligtum in ihrem Zustand nicht betreten sollte. Zugleich
fiel ihr Blick auf die Ikone der allheiligen Gottesmutter im Vorraum
der Kirche. In Beschaemung und Reue rief sie die Mutter des Herrn an
und gelobte, jede Busse in ihrem zukuenftigen Leben auf sich zu nehmen,
wenn die Gottesmutter ihr Eingang in das Heiligtum und damit ein
Zeichen gewaehre, an dem sie erkennen werde, dass ihr goettlicher Sohn
ihr vergebe. Und - o Wunder - ungehindert konnte sie die Schwelle
uebertreten und mit den uebrigen Pilgern an der Verehrung des heiligen
Kreuzes teilnehmen. Hier traf sie der Strahl der Gnade. Einer
innerlichen Erleuchtung folgend, jenseits des Jordans Ruhe und Frieden
zu suchen, machte sie sich sofort auf den Weg und erreichte noch am
gleichen Tage die Kirche des Hl. Johannes am Jordan. Reumuetig
beichtete sie hier und empfing die Lossprechung und die Hl. Kommunion.
Sodann ueberschritt sie den Jordan, um weiter ostwaerts in der Wueste
Busse zu tun und die Wueste nicht mehr zu verlassen. Unter den
aeussersten Entbehrungen in Nahrung, Kleidung und Behausung reinigte
sich noch 17 Jahre ihr von ihren suendhaften Gewohnheiten und den
Verwuestungen der Leidenschaften.
Dann aber fand sie die verheissene Ruhe und den vollen Frieden in Gott,
dem sie noch weitere 30 Jahre in der Wueste widmen durfte, durch
wunderbare Erleuchtungen getroestet und gefuehrt zu den seligen
Geheimnissen der Gottesschau. Erst in ihrem 77. Lebensjahr wagte sie es
wieder, einem Mann zu begegnen, der zur Andacht in die Wueste gekommen
war. Viele Moenche folgten naemlich der Praxis vom ersten Fastensonntag
bis zum Palmsonntag ihr Kloster zu verlassen, um in Erinnerung an die
vierzigtaegigen Fasten des Herrn in der Wueste ein Einsiedlerleben zu
führen. Gottes Fuegung wollte es, dass der fast
hundertjaehrige Priestermoench Sosima aus einem am Jordan gelegenen
Kloster in dieselbe Einoede kam, in der auch Maria lebte. Da sie ihm ,
ohne ihn je gesehen zu haben, seinen Namen nennen konnte, erkannte er
dass es Gottes Wille war, dass er ihr am Hohen Donnerstag vor der
Auferstehung die Hl. Kommunion an den Jordan bringen sollte. Nachdem
sie mit Leib und Blut des Herrn gestaerkt war, was sie so lange hatte
entbehren muessen, bat sie den Priester Sosima, ihr auch im naechsten
Jahr die Heiligen Gaben an die selbe Stelle zu bringen. Dann zog sie
sich wieder in die Wueste zurueck. Sosima entsprach im darauffolgenden
Jahr ihrem Wunsch, fand aber an der verabredeten Stelle den Leichnam
der Heiligen, die ihren Namen vor ihrem Scheiden aus dieser Welt in den
Sand geschrieben hatte. Der heilige Sosima bestattete sie an der
gleichen Stelle, kehrte ins Kloster zurueck und verfasste hier vor
seinem bald folgenden Tode zur Erbauung des spirituellen Lebens seiner
Mitbrueder die Lebensgeschichte der Heiligen, wie er sie bei der ersten
Begegnung aus ihrem Mund vernommen hatte. In ihrer heutigen Gestalt
stammt der Bericht von Patriarch Sophronij von Jerusalem. (7. Jhdt.)
Sonntag vom
ZACHÄUS 31.1.21
Sonntag von den TALENTEN
7.2.21
Sonntag von der
KANAANÄERIN
14.2.21
VORBEREITENDE SONNTAGE
Apostel:
1 Tim 4: 9-15
Evangelium: Lk 19: 1-10
Heute hören wir die erste Ankündigung, empfangen die
erste Einladung das Oster-Mysterium für uns heilbringend
mitzuerleben:
Wenn unser Verlangen hinreichend tief und stark ist, wird Christus
darauf antworten.
Deshalb müssen wir danach brennen
den Gottessohn, den erneuerten perfekten Menschen des
Paradieses erkennen zu lernen. Dazu muss der Durst und der Hunger nach
dem Absoluten in uns steigen, und durch Ihn die wahrhaftige Erkenntnis
in uns selbst.
Lange vor dem eigentlichen Beginn der Fastenzeit kündigt die Kirche ihr Nahen an und lädt uns ein, in die Periode einer der Fastenzeit vorhergehenden Vorbereitung einzutreten. Es ist ein charakteristischer Zug der Orthodoxen liturgischen Tradition, dass jedes Hochfest oder jeder liturgische Zeitabschnitt - Ostern, Weihnachten, Fastenzeit etc. - angekündigt und im voraus »vorbereitet« wird. Warum? Weil die Kirche ein tiefes psychologisches Gespür für die menschliche Natur hat. Da sie unsere mangelnde Konzentrationsfähigkeit und den erschreckenden Hang zur »Weltlichkeit« unseres Lebens kennt, weiß sie um unsere Unfähigkeit zu einem raschen Wandel, zu einem unvermittelten Hinüberwechseln von einem geistlichen oder geistigen Zustand in einen anderen. Deshalb lenkt die Kirche bereits lange vor dem Beginn des der Fastenzeit eigenen Bemühens unsere Aufmerksamkeit auf die ernsthafte Bedeutung dieser Zeit und lädt uns ein, deren Sinn betrachtend zu bedenken. Vor dem praktischen Vollzug der Fastenzeit wird uns deren Bedeutung gegeben.
Diese Vorbereitung umfasst fünf aufeinander folgende Sonntage, die der Fastenzeit vorangehen, und von denen jeder - durch sein eigenes Evangelium - einem grundsätzlichen Gesichtspunkt der Reue gewidmet ist.
Der aller erste Hinweis auf die Fastenzeit erfolgt an dem Sonntag, an dem das Evangelium über Zachäus (Lk 19,1-10) gelesen wird. Es ist der Bericht über einen Menschen, der zu klein ist, um Jesus sehen zu können, der aber so sehr von dem Wunsch beseelt ist, ihn zu sehen, dass er auf einen Baum steigt. Wegen seines brennenden Verlangens wendet Christus sich ihm zu und kehrt bei ihm ein. So ist das Thema dieser ersten Ankündigung das brennende Verlangen. Der Mensch folgt seinem brennenden Verlangen. Man kann sogar sagen, dass der Mensch Verlangen ist, und diese grundlegende psychologische Wahrheit über die menschliche Natur wird durch das Evangelium bestätigt: »Da, wo dein Schatz ist, wird auch dein Herz sein« (Mt 6,21; Lk 12,34), sagt Christus. Ein heißes Verlangen überwindet die natürlichen Grenzen des Menschen; wenn er leidenschaftlich etwas wünscht, kann er Leistungen vollbringen, zu denen er »normalerweise« nicht fähig ist. Obwohl »klein« von Gestalt, wächst er über sich hinaus und übertrifft sich selbst. Die einzige Frage ist also, ob es die wahren Güter sind, die wir begehren, und ob die Stärke unseres Verlangens auf das wahre Ziel ausgerichtet ist oder ob, um die Formulierung des atheistischen Existentialisten Jean-Paul Sartre zu gebrauchen, der Mensch eine »unnütze Leidenschaft« ist.
Zachäus wünschte »eine gerechte Sache«, er wollte Christus sehen und näher an ihn herankommen. Es ist das erste Symbol des Sich-Bekehrens, denn das Sich-Bekehren beginnt mit der Wiederentdeckung der tiefgründigen Natur allen Verlangens: das Verlangen nach Gott und Seiner Gerechtigkeit, das Verlangen nach dem wahren Leben. Zachäus ist »klein«, - unscheinbar, ein Sünder, ein Mensch mit begrenzten Möglichkeiten - aber trotzdem wächst sein Verlangen über all dies hinaus. Er »erzwingt« die Aufmerksamkeit von Christus, er nimmt Christus mit zu sich nach Hause.
Das ist also die erste Ankündigung, die erste Einladung: wir müssen begehren, was das Tiefste und Wahrhaftigste in uns selbst ist, den Durst und den Hunger nach dem Absoluten in uns wiedererkennen, das, ob wir es nun kennen oder nicht, uns mit einer wahrlich »unnützen Leidenschaft« behaftet sein ließe, wenn wir uns von ihm abwenden und unsere Wünsche anderswohin lenken würden. Und wenn unser Verlangen hinreichend tief und stark ist, wird Christus darauf antworten.
Schmemann, Alexander, Die Große Fastenzeit, Askese und Liturgie in der Orthodoxen Kirche, Veröffentlichungen des Instituts für Orthodoxe Theologie, Bd. 2, München 1994, S. 15f.
Apostel:
2 Kor 6: 1-10
Evangelium: Mt 25: 14-30
Heute sollen wir in der Vorbereitung auf die Fastenzeit in den Worten
des Gottessohnes mit aller Deutlichkeit erkennen:
Der Glaube der Christen ist wahre Freiheit aber keine Philosophie !
Wenn wir am vorigen Sonntag gehört haben, dass die Liebe das
Höchste Gebot ist, dann genügt nicht zu nicken und
"an etwas Höheres" zu glauben.
Die Befreiung unserer Talente durch die Erlösung muss ihre
praktischen Auswirkungen in unserem Tun in unserem Leben finden !
Sonst werden wir nicht "eingehen" in die Freude unseres Herrn" sondern
trotz unserer Erlösung dort sein, "wo Heulen und
Zähneknirschen" ist !
Apostel: Hebr 7:
26-8:2
Evangelium: Mt 25: 21-28
Das
heutige Evangelium ermutigt auch uns -besonders jetzt bevor wir die
Grossen Fasten beginnen-, bei dem möglichen
Schweigen Gottes, uns nicht zurückzuziehen,
sondern umso beharrlicher Gott in
Demut zu bitten.
Unsere Kirchenväter deuten diese Frau auf die Kirche, welche ihr heidnisches Gebiet verließ, um Christus, welcher soeben das jüdische Land verlassen hatte, zu treffen.
Jesus sagt zunächst zu seinen Jüngern: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israels.“ (V.24)
Wie
leicht entsteht dabei der Gedanke: „Gut für den, dem
der
Glaube an Gott und die Kirche etwas helfen.
Aber so etwas ist nichts für mich.
Ich kann einfach nicht mehr glauben. Angesichts des Leidens kann ich
nicht mehr
weiterbeten.“
Drei
Mal wurde die Frau nicht erhört.
Aber welch großer
Glaube, dass die Frau sich nicht abwendet, sondern auf den Worten Jesu
ihre
Antwort aufbaut.
Sie nimmt die Erniedrigung Jesu an und bezeichnet sich selbst
als Hund. Aber gerade darum, weil selbst den Hunden, die unter dem
Tisch sitzen
- gerade weil sie dort sitzen
- zumindest die Brotkrumen zufallen.
In ihrer Demut brauch sie sich nicht als
Herr zu Tische zu setzen, sondern es reicht ihr zumindest die
Brotkrumen am
Boden zu erhalten. (V.27)
Und
so wird der Glaube der Frau zum Schluss damit belohnt,
dass ihr Wille
geschah (V.28)
Denn es war ein Wille, welcher nicht auf sich selbst allein
gerichtet war, sondern vor allem ihre Tochter im Blick hatte.
Und so wird
schließlich ihre Tochter aufgrund
von ihrem Glauben
geheilt. (V.28)
Möge
Christus auch uns die Beharrlichkeit und Demut im Gebet
schenken, auf dass unser Glaube auch in Zeiten von Gottes Schweigen und
eigener
tiefer Rückschläge nicht verloren geht.
Dies schenke Gott, welcher Geber aller
guten Gabe ist. Denn Ihm gebührt alle Verherrlichung und Ehre,
Macht und
Anbetung, in alle Ewigkeit. Amin.